200-Jahr-Feier der GDNÄ: ein glanzvolles Fest der Wissenschaften

200-Jahr-Feier der GDNÄ: ein glanzvolles Fest der Wissenschaften

von Prof. Dr. Michael Dröscher, Schatzmeister und Generalsekretär

Wie vital und zukunftsfähig die fachübergreifende Forschergesellschaft bis heute ist, stellte sie bei ihrer 200-Jahr-Feier am Gründungsort Leipzig unter Beweis. Es war ein prachtvolles Fest der Wissenschaften, das die Gesellschaft Deutscher Naturwissenschaftler und Ärzte (GDNÄ) vom 8. bis 11. September 2022 in der schönen Atmosphäre der Leipziger Kongresshalle am Zoo unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ausrichtete. Rund 800 GDNÄ-Mitglieder und Gäste, darunter mehr als 200 Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, waren gekommen, um den Geburtstag der Gesellschaft mit einem hochkarätigen Programm zum Thema „Wissenschaft im Bild“ zu feiern. 

Im Jahr 1822 von freisinnigen Köpfen in Leipzig auf Einladung von Lorenz Oken gegründet, hat sich die GDNÄ im Laufe ihrer 132 Versammlungen vom Treffen der naturwissenschaftlich-medizinischen Elite Europas hin zu einem Austausch hochrangiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit an den Naturwissenschaften interessierten Menschen entwickelt. In den allgemeinverständlichen Vorträ- gen aus Chemie, Physik, Biologie, Informatik und Medizin zeigte sich, wie interdisziplinär Wissenschaft heute ist und sein muss.

© MIKA-fotografie | Berlin

Beim Festabend nach dem ersten Versammlungstag: Michael Dröscher begrüßt die Gäste mit launigen Worten (hinter ihm v.l.n.r.: Ronald Werner, Jörg Junhold, Martin Lohse).

Zur besonderen Feier des Jubiläums war das Programm nicht nur auf vier Tage ausgedehnt, sondern bot den Teilnehmern auch eine wissenschaftliche Ausstellung mit Mitmachaktivitäten und eine deutli- che Ausweitung des Schülerprogramms. Die Schülerinnen, Schüler und Studierenden nahmen nicht nur am kompletten wissenschaftlichen Programm teil. Sie bestritten durch ihre Fragen an die Wissen- schaft wesentliche Programmpunkte mit, gestalteten einen begeistert aufgenommenen Science Slam, nahmen die Gelegenheit zur Studienberatung wahr und tauschten sich freimütig mit Rednern und Gästen aus.

Der Eröffnungstag stand im Zeichen der Festsitzung, eingestimmt und umrahmt vom Albero-Streich- quartett mit Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Maurice Ravel und Ludwig van Beethoven.

GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse und der örtliche Geschäftsführer und Gastgeber Zoodirektor Professor Jörg Junhold eröffneten die Festsitzung in der Kongresshalle. Mit den Worten „Die GDNÄ steht für Austausch und Offenheit“, begrüßte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, die Festgesellschaft in ihrer Videobotschaft. Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler wies in seinem Grußwort auf die enge Verbindung Sachsens mit der GDNÄ hin, die zum neunten Mal im Freistaat tagte und hob die Förderung des Dialogs der Wissenschaft und der Öffentlichkeit heraus. Auf die große Bedeutung des Wissenschaftsstandorts Leipzig wies Bürgermeister Professor Thomas Fabian hin.

Die GDNÄ lebt vom Engagement ihrer Mitglieder. Deshalb verleiht sie alle zwei Jahre die Alexander von-Humboldt-Medaille für besondere Beiträge zur Entwicklung der Gesellschaft. Im Rahmen der Festsitzung ehrte sie Professor Joachim Treusch für seine Verdienste als Vorstandsmitglied, Präsident und langjähriger Begleiter des Vorstands. In ihrer Laudatio sagte Professorin Eva-Maria Neher: „Unser heutiger Laureat, Joachim Treusch, gehört mit Alexander von Humboldt zu den ‚Weitblickern‘, die nicht nur die GDNÄ gestaltet, sondern mit und als Teil von ihr die Wissenschaften geprägt, die Kommunikation in die Gesellschaft vorangetrieben und die Politik maßgeblich überzeugt haben, Innovationen und Veränderungen zu fördern.“ Die Medaille würdigt insbesondere den Beitrag des Preisträgers zur Umsetzung des Schülerprogramms und seine Verknüpfung der Gesellschaft mit den Netzwerken der Wissenschaft. Als Gründungspräsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Senatsmitglied der Leopoldina und Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften hat Professor Treusch viele Verbindungen zur GDNÄ mitgestaltet.

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Schülerinnen und Schüler umringen Physik-Nobelpreisträger Reinhard Genzel nach seinem Vortrag „Eine 40-jährige Reise zum Zentrum der Milchstraße“.

Im Mittelpunkt der Festsitzung stand der Austausch von Schülerinnen und Schülern mit der Wissenschaft. Rund 200 Teilnehmer des mit Stipendien geförderten Schülerprogramms, das zum wiederholten Mal unter der kompetenten Leitung von Studienrat Paul Mühlenhoff stand, hatten sich in Vorbereitungstreffen auf Kernfragen zum Thema „Wir haben nur eine Welt“ an die Wissenschaft geeinigt. Drei der sechs Fachgebietsgruppen stellten ihre Fragen bei der Eröffnungsfeier auf dem Podium vor. Eingeführt wurde das Thema durch eine Videobotschaft von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim: Sie erhält am 5. Oktober 2022 im Rahmen des Forums Wissenschaftskommunikation in Hannover die Lorenz-Oken-Medaille der GDNÄ, um ihre Verdienste für die Kommunikation von Wissenschaft in die Gesellschaft zu würdigen.

Im Fachgebiet Biologie diskutierten junge Leute die Frage „Wie müsste eine Alge verändert und eingesetzt werden, um möglichst schnell, praktikabel, zuverlässig und risikofrei Treibhausgase, wie das atmosphärische und im Meerwasser gelöste CO2, in nutzbares organisches Material umzuwandeln und wie könnte das technisch realisiert werden?“ mit Professorin Antje Boetius, der Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. „Was halten Sie für notwendig, um Individualmedizin für jeden Menschen zeitnah realisieren zu können?“ – so lautete die Frage des Medizin-Teams an Professor Patrick Cramer, ab 2023 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. „Wie realisiert die Wissenschaft die perfekte Stadt von morgen?“ wurde Professor Johann-Dietrich Wörner, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, von der Fachgruppe Technik/Ingenieurwissenschaften gefragt. Das von Martin Lohse moderierte Gespräch findet sich, ebenso wie alle Vorträge auf dem Videokanal der Gesellschaft.

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Der Vortrag des Physik-Nobelpreisträgers Professor Reinhard Genzel lockte viele Leipzigerinnen und Leipziger in die Kongresshalle am Zoo.

Ebenfalls auf der großen Bühne präsentierten drei weitere Schülergruppen ihre Fragen am nächsten Tag im Rahmen der Biologie-Session. Vizepräsident Professor Heribert Hofer moderierte die zweite Runde. „Muss die Chemie Plastik neu erfinden, um die Vorteile zu erhalten sowie die bekannten Nach- teile zu eliminieren und kann die Wissenschaft bereits vorhandenen Plastikmüll beseitigen und dies ökonomisch attraktiv gestalten?“, wurde Professor Michael Buchmeiser, Direktor des Instituts für Polymerchemie der Universität Stuttgart, gefragt. Die Frage der Mathematik/Informatik-Gruppe „Wie kann die Informatik trotz fortschreitender Digitalisierung den Energie- und Ressourcenverbrauch der Datenspeicherung und Kommunikation auf ein Minimum reduzieren?“ richtete sich an Professor Wolfgang Wahlster, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Auf die von der Physik-Gruppe gestellte Frage zur Wissenschaftskommunikation „Wie kann die Wissenschaft es erreichen, die dringendsten Probleme so verständlich zu kommunizieren, dass sie zu direkten Handlungen führt?“ antwortete Professorin Katharina Kohse-Höinghaus, Universität Bielefeld.

Zurück zur Festsitzung: Bilder und Reisen war das Thema des Podiums im zweiten Teil. Präsident Lohse führte in das Tagungsthema ein. „Alle Wissenschaften streben danach, genaue Bilder zu er- zeugen. Sie nutzen dafür künstliche ebenso wie natürliche Intelligenz, den großen Instrumentenkasten der Informatik, ausgeklügelte Methoden der Physik und eigens konzipierte Bausteine der Chemie. Um etwa die Moleküle des Lebens immer exakter abzubilden werden optimierte Farbstoffe und Markierungsstrategien, komplexe Licht- und Elektronenmikroskope, effiziente Algorithmen und einleuchtende Visualisierungen gebraucht. Impulse für die Podiumsdiskussion gaben Professor Oliver Lubrich, Universität Bern, zu „Alexander von Humboldts Bilder der Wissenschaft“, Professorin Antje Boetius mit einem Bericht über die MOSAiC-Expedition, die zusätzlich durch Bilder in der Ausstellung dokumentiert wurde, sowie Professor Günther Hasinger, European Space Agency, mit seinem Blick auf Schwarze Löcher und das Schicksal des Universums.

Mit einem Glas Sekt in der Hand eröffneten Professor Jörg Junhold und Dr. Ronald Werner, der Vertreter der Sächsischen Staatsregierung, den Festabend im Konzertgarten des Zoos. Mit Musik vom Alberto Quartet und einem Flying Buffet wurde gebührend gefeiert.

Aber nicht nur das. Um 19.30 Uhr war im Weißen Saal „Wissenschaft in 5 Minuten“ angesetzt. Dieses Format fand zum dritten Mal statt, immer moderiert von Vizepräsident Professor Heribert Hofer. Vor vollem Saal traten 13 junge Menschen, einzeln oder in Teams, an. Mit ihren Themen „Alkylpolyglucoside und Konservierungsstoffe mal anders“, „Geschlecht in der Medizin“, „Einsatz von Lehm im kommerziellen Bauwesen – ein signifikanter Beitrag zu Wegen aus der Klimakrise“, „Fullerene und der medizinische Einsatz“, „Wird KI unsere Welt übernehmen?“, „Warum lässt sich aus zwei kollidierenden Blöcken die Zahl Pi berechnen?“, „Spannung oder Strom, was ist der Killer?“, „Wie können tonnenschwere Maschinen fliegen?“, „Das Periodensystem der Elemente – tödlicher als Du denkst“ sowie „Interstellare Reisen“ konnten die jungen Rednerinnen und Redner das Publikum so begeistern und zu Beifallstürmen hinreißen, dass es am Ende 5 erste und 5 zweite Plätze gab, die mit jeweils 200 beziehungsweise 100 Euro belohnt wurden.

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© MIKA-fotografie | Berlin

Gut besucht, gern genutzt: Die Studienberatung durch ausgewiesene Experten am Samstag, 10. Oktober.

Der zweite Tag begann mit der von Professorin Tina Romeis geleiteten Biologie-Session. Verborgenen Wildtieren tropischer Regenwälder war Dr. Andreas Wilting auf der Spur, während Professor Markus Sauer in die „Neuesten Entwicklungen der Super-Resolutions-Mikroskopie“, einführte.

Der Wissenschaftsmarkt war am Freitag und Samstag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Er bot nicht nur interessante Einblicke, etwa in die MOSAiC-Ausstellung „Into the Ice“ und die Ausstellung „Faszination Wissenschaft“ der Fotografin Herlinde Koelbl, sondern auch Mitmachaktivitäten. Vertreten waren das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Forschungsstätte von Professor Svante Pääbo, Medizin-Nobelpreisträger 2022), die Leibniz-Institute für Photonische Technologien, Jena, Troposphärenforschung und Länderkunde, beide aus Leipzig, sowie das Leipziger Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften. Der Archivar der Gesellschaft, Dr. Matthias Röschner, hatte einige besonders interessante Stücke aus dem GDNÄ-Archiv im Deutschen Museum mitgebracht.

Im acatech „Science and Technology Café“ lud Privatdozent Marc-Denis Weitze in der Mittagspause zum Thema „In welcher Welt wollen wir leben/Wissenschaft für morgen“ ein. Parallel dazu moderierte Lilo Berg ein Gespräch zur Geschichte der GDNÄ mit Professor Dietrich von Engelhardt und dem Archivar Dr. Matthias Röschner.

Der Nachmittag begann im Rahmen der von Professor Wolfgang Lubitz geleiteten Chemie-Session mit der Verleihung der Liebig-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker durch den GDCh-Präsidenten Dr. Karsten Danielmeier an Professorin Claudia Felser, Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe. Die Laudatorin, Professorin Barbara Albert, Rektorin der Universität Duisburg-Essen, lobte die Preisträgerin als Visionärin der festen Materialien. In ihrem Vortrag berichtete Claudia Felser über „Chiralität und Topologie“. Beiträge zur NMR-unterstützten Strukturbiologie von Professor Bernd Reif, Einblicken in die molekulare Architektur von Zellen durch Professor Wolfgang Baumeister und Begegnungen mit Nanomaschinen bei der Arbeit, vermittelt durch Professor Helmut Grubmüller, vollendeten die Chemie-Session.

Der öffentliche Abendvortrag des Physik-Nobelpreisträgers Reinhard Genzel über seine 40-jährige Reise zum Zentrum der Milchstraße lockte außer den Tagungsteilnehmern auch viele Bürgerinnen und Bürger aus Leipzig an. Professor Genzel nahm sich nach dem Vortrag viel Zeit, um mit den Schülerinnen und Schülern zu sprechen. Anschließend strömten die Tagungsteilnehmer zur Nikolaikirche, um Werke von Georg Phillip Telemann, Johann Sebastian Bach, Max Reger und Richard Wagner zu hören. Unter der Leitung des Universitätsmusikdirektors David Timm (Orgel) musizierten Viktorija Kaminskaite (Gesang), Alexander Bernhard (Trompete) und Reiko Brockelt (Altsaxophon). Zwischen den Musikstücken erläuterte Superintendent Sebastian Feydt die Bedeutung der Nikolaikirche für die Friedliche Revolution 1989.

Nach der frühen GDNÄ-Mitgliederversammlung begann der Samstagmorgen mit der von Professor Thomas Elsässer geleiteten Physik-Session. Mit Bildern aus der Nanowelt, zeitaufgelöster Röntgenkristallografie und der Vielfalt der extrasolaren Planeten beindruckten Professor Roland Wiesendanger, Professorin Petra Fromme und Professorin Heike Rauer die Zuhörer.

Das Thema des gut besuchten acatech „Science and Technology Cafés“ in der Mittagspause war die Digitalisierung der Medizin. Gleichzeitig ließen sich die Schülerinnen und Schüler in großer Zahl von den Mitgliedern des Vorstandsrats der GDNÄ über die Studienmöglichkeiten in den Naturwissenschaften, in Informatik, Medizin und Veterinärmedizin beraten.

Der Nachmittag war Themen aus Technik und Informatik gewidmet und stand unter Leitung von Professor Johannes Buchmann. Professor Stefan Roth berichtete über Bildanalysen und das Bildverstehen für das autonome Fahren und Professor Christian Theobalt über Maschinelles Lernen in Computergrafik und Bilderkennung. Mit dem Thema Echtzeit-Strahlverfolgung für die fotorealistische Visualisierung schloss Professor Philipp Slusallek den Informatikteil ab.

Zum darauf folgenden öffentlichen Leopoldina-Vortrag von Markus Gross, Informatikprofessor an der ETH Zürich und Direktor von Disney Research, über computergenerierte Hollywood-Filme mit beindrucken- den Bildern und Technologien strömten erneut viele Bürgerinnen und Bürger Leipzigs in die Kongresshalle am Zoo.

Nach dem Vortrag waren die Referentinnen und Referenten von Oberbürgermeister und Zoodirektor in das Gondwanaland des Zoos zu einem Abend in tropischer Umgebung eingeladen.

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© MIKA-fotografie | Berlin

Magnetresonanztomografie in Echtzeit: Professor Jens Frahm zeigte faszinierende Aufnahmen, darunter Innenansichten eines Hornisten.

Der Sonntag war der Medizin gewidmet, eingeführt von Professor Jürgen Floege. Den Auftakt machte Professor Jens Frahm mit beeindruckenden Bildern der Echtzeit-Magnetresonanz-Tomografie. Künstler beim Trompetespiel und Singen von innen betrachten zu können war beeindruckend.

Anschließend stand die neue RNA-Medizin im Mittelpunkt. Professor Jörg Vogel, Professor Lorenz Meinel und Professorin Stefanie Dimmeler führten in das Gebiet ein und diskutierten über künftige Entwicklungen zusammen mit GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse.

Der Präsident dankte zum Abschluss den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die von nah und fern angereist waren, den Sprecherinnen und Sprechern sowie den Podiumsgästen, den Mitgliedern des Vorstands und des Vorstandsrats sowie den lokalen Teams von Zoo und Kongresshalle um Professor Jörg Junhold. Er hob den großen Einsatz derjenigen hervor, die bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Tagung geholfen haben. Er dankte insbesondere den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, Frau Landeck und Frau Diete, die von den Teilnehmern mit großem Beifall bedacht wurden.

Der Dank des Präsidenten galt darüber hinaus der Stadt Leipzig und dem Land Sachsen für ihre Gastfreundschaft, dem Superintendenten der Nikolaikirche, Sebastian Feydt, sowie den Musikern des Jubiläumskonzerts, den Schülerinnen und Schülern um Studienrat Paul Mühlenhoff, dem Team Instagram aus Stuttgart um Professor Alexander Mäder, dem Archiv der GDNÄ um Matthias Röschner und allen Ausstellern im tagungsbegleitenden „Markt der Wissenschaften“, dem Autorenteam der Festschrift um Lilo Berg und Thomas Liebscher sowie allen Förderern, Spendern und Stiftern.

Die nächste Versammlung der GDNÄ wird im September 2024 in Potsdam stattfinden, dann unter der Leitung des Berliner Zoologen Professor Heribert Hofer.

Alle Vorträge wurden im Livestream übertragen und stehen über www.gdnae.de als Video zur Verfügung. Eine Fotogalerie, das Versammlungs-Tagebuch und viele weitere Beiträge auf der Website erinnern an die glanzvolle 200-Jahr-Feier der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte im September 2022 in Leipzig.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© MIKA-fotografie | Berlin

Das Jubiläumskonzert in der Nikolaikirche – ein unvergessliches Erlebnis zum Abschluss des zweiten Versammlungstages.

Weitere Informationen:

200 Jahre GDNÄ Rückblick auf die Jubiläumsversammlung 2022

200 Jahre GDNÄ

Rückblick auf die Jubiläumsversammlung 2022

Jetzt ist es vorüber, das glanzvolle Fest der Wissenschaften, das wir in der prächtigen Atmosphäre der Leipziger Kongresshalle am Zoo feiern konnten. Es waren vier Tage voller anregender Begegnungen und Veranstaltungen. Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pause konnten wir, ganz  im Sinne der Gründer unserer Gesellschaft, endlich wieder persönlich zusammenkommen.

Prominente Redner und Diskussionsteilnehmer stellten das Thema „Wissenschaft im Bild“ aus ihren unterschiedlichen Perspektiven dar. Es zeigte sich, wie interdisziplinär Wissenschaft heute ist und sein muss: Alle Wissenschaften streben danach, Bilder zu erzeugen, und sie nutzen dafür künstliche ebenso wie natürliche Intelligenz, den großen Instrumentenkasten der Informatik, ausgeklügelte Methoden der Physik und eigens konzipierte Bausteine der Chemie. Ein Beispiel: Um die Moleküle des Lebens immer genauer abzubilden, braucht es neue Farbstoffe und Markierungsstrategien, komplexe Licht- und Elektronenmikroskope, effiziente Algorithmen und einleuchtende Visualisierungen.

Auf der Reise durch wissenschaftliche Bilderwelten durften wir an technologischen und inhaltlichen Durchbrüchen teilhaben, etwa bei der Suche nach Exoplaneten, dunkler Materie und schwarzen Löchern, bei rasend schneller NMR-Bildgebung und einer Lichtmikroskopie auf Nanometerskala und in der Forschung an einzelnen Molekülen und Atomen.

Alle Redner waren wohlpräpariert zur Stelle, mit Vorträgen, die anspruchsvoll, verständlich und oft auch unterhaltsam waren. Und das nicht nur für die achthundert Gäste im Saal, sondern auch per Livestream, Instagram und Website-Tagebuch für viele andere, wie die beeindruckenden Nutzerzahlen zeigen. Sobald die Filme geschnitten sind, können Sie die Vorträge auf unserem Youtube-Kanal noch einmal anschauen.

Belebend waren die Diskussionen auf dem Podium, die neben der Sichtweise einzelner Sprecher weitere interessante Perspektiven eröffneten. So etwa beim Festnachmittag zu den Bildern von den Humboldt‘schen Expeditionen und von Forschungsreisen in die Tiefsee und ins Universum; am Sonntag dann zur beginnenden Revolution der RNA-Medizin.

Rund zweihundert Teilnehmer unseres Schülerprogramms brachten Frische und neue Impulse in die Diskussion. Die Dankbarkeit der jungen Menschen für dieses einzigartige Programm ist überwältigend! Auch das Gästebuch zeugt von glücklich-beseelter Resonanz: „konnten großartige Menschen kennenlernen“, „inspirierende Einblicke in Spitzenforschung“, „neue Bilder – neues Weltbild“, „in Begeisterung schwelgend“, „auf dass der Funke überspringe“, „beste Tagung ever“, „komme gern wieder“ – das sind nur einige Beispiele aus vielen handschriftlichen Danksagungen.

Allen, die zum Gelingen dieses Festes beigetragen haben, sei hier noch einmal gedankt: unseren Gästen, die von nah und fern anreisten, Mitgliedern und Nichtmitgliedern, Jüngeren und Älteren, allen Sprechern und Diskussionsteilnehmern, allen die bei der Vorbereitung und Durchführung halfen in Geschäftsstelle und Vorstand und im lokalen Team von Zoo und Kongresshalle um Jörg Junhold, der Stadt Leipzig und dem Land Sachsen für ihre Gastfreundschaft, der Nikolaikirche mit Sebastian Feydt, der an die friedliche Revolution von 1989 erinnerte, und den Musikern, die uns auf einen intensiven Streifzug durch die Musikgeschichte Leipzigs mitnahmen, den Schülerinnen und Schülern um Paul Mühlenhoff, dem Team Instagram aus Stuttgart um Alexander Mäder, dem Archiv der GDNÄ um Matthias Röschner und allen Ausstellern in der Expo, den Autoren und dem Team der Festschrift um Lilo Berg und Thomas Liebscher, allen Förderern, Spendern und Stiftern.

Nach der Tagung ist vor der Tagung: Die nächste Versammlung der GDNÄ wird im September 2024 in Potsdam stattfinden, dann unter der Leitung von Heribert Hofer. Für die Präsidentschaft 2025 und 2026 wurde Anke Kaysser-Pyzalla gewählt, die erste Ingenieurin, die der GDNÄ vorstehen wird. Die Planungen reichen also schon recht weit in die Zukunft.

Die Festversammlung hat gezeigt, dass die GDNÄ gebraucht wird und ein Zukunftsmodell besitzt, das sie weiterentwickeln und ausbauen kann: für einen intensiven Dialog zwischen Disziplinen, für ein belebendes Schülerprogramm, und für Wissenschaftskommunikation im besten Sinne!

Martin Lohse, Präsident der GDNÄ (2019-2022). 

 

Martin Lohse 2022 © MIKA-fotografie | Berlin

© MIKA-fotografie | Berlin

Prof. Dr. Martin Lohse

Zur Person

Seit 2019 ist er Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte: Martin Lohse, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Würzburg und Geschäftsführer des bayerischen Forschungsunternehmens ISAR Bioscience in Martinsried. Martin Lohse prägte die 132. Versammlung der GDNÄ in Leipzig durch das von ihm stammende Tagungsthema „Wissenschaft im Bild“, durch seine Kontakte zu exzellenten Wissenschaftlern und nicht zuletzt durch Ansprachen und Moderationen auf dem Podium. Für seine Forschung über G-Protein gekoppelte Rezeptoren erhielt er den höchsten deutschen Wissenschaftspreis, den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Erst kürzlich machte ihn die Universität von Glasgow zu ihrem Ehrendoktor. Martin Lohse ist Herausgeber der Festschrift zum 200-jährigen Bestehen der GDNÄ „Wenn der Funke überspringt“.

Ausführlicher Lebenslauf unter: „Aufregende Zeiten für die Wissenschaft“

Tag 4 der Festversammlung in Leipzig: Sonntag, 11. September 2022

Tag 4: Sonntag, 11. September 2022

Bilder aus dem Körper, RNA-Medizin und Wissenschaft zum Anfassen

Letzter Versammlungstag, großes Finale und die Stunde der Medizin: Am Vormittag berichtete Professor Jens Frahm vom Göttinger Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften über einen Paradigmenwechsel in der medizinischen Bildgebung: die Magnetresonanztomografie in Echtzeit, um das schlagende Herz, den Blutfluss, das Schlucken und Sprechen in voller Dynamik abzubilden. Im Podium zur RNA-Medizin der Zukunft stellten Professorin Stefanie Dimmeler von der Universität Frankfurt und die Professoren Jörg Vogel und Lorenz Meinel von der Universität Würzburg die faszinierenden Möglichkeiten der Ribonukleinsäure-Medizin vor und diskutierten über das, was heute schon machbar ist und was sich für die Zukunft abzeichnet. (Bericht folgt)

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© GDNÄ

Die ingenieurwissenschaftlerin Anke Kaysser-Pyzalla wurde zur 2. Vizepräsidentin für die Jahre 2023 bis 2024 gewählt – und damit zur GDNÄ-Präsidentin 2025 bis 2026.

Die Jubiläumstagung habe gezeigt, wie sehr Physik und Technik, Biologie und Medizin heute ineinandergreifen, hob GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse in seinem Abschiedswort hervor. Ihm selbst wurde vom nächsten Präsidenten, Professor Heribert Hofer, für die „hervorragende Leitung“ der Naturforschergesellschaft gedankt – eine Aufgabe, die coronabedingt vier Jahre statt der üblichen zwei Jahre währte. Herzlichen Applaus gab es auch für Katja Diete und Sylvia Landeck von der GDNÄ-Geschäfsstelle für die anspruchsvolle Organisation der Tagung. Dann noch ein Blick ins Übermorgen: Die Ingenieurwissenschaftlerin Anke Kaysser-Pyzalla hat die Wahl der Mitgliederversammlung angenommen und wird GDNÄ-Präsidium in den Jahren 2025 bis 2026. Heribert Hofer lud alle Freundinnen und Freunde zur nächsten Versammlung ein, die für das zweite Wochenende im September 2024 in Potsdam geplant ist. Krönender Abschluss der Tagung war die Übergabe der Teilnahmeurkunden an die fast 200 Stipendiatinnen und Stipendiaten des Schülerprogramms. Finale Erkenntnis der Jubiläumstage in Leipzig: Die Bühne im schönen Art-Deco-Kongresssaal hielt, entgegen mancher Befürchtung, der Belastung stand!

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© GDNÄ

Exzellente Organisation und Betreuung: Das Tagungsteam mit Katja Diete (Zweite von links) und Sylvia Landeck (Dritte von links).

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Die Bühne in der Kongresshalle am Zoo Leipzig hielt dem Ansturm der Schülerinnen und Schüler stand.

Versammlungshashtag: #gdnae200

Weitere Informationen:

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Zoe Klee vom Bielefelder Ratsgymnasium mit ihrer GDNÄ-Urkunde.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ-Pedometer

Tagungsmarathon: In der Versammlungswoche lief Sylvia Landeck von der GDNÄ-Geschäftsstelle mehr als sechzig Kilometer durch die Kongresshalle und sorgte mit dafür, dass alles wie am Schnürchen lief.

Tag 3 der Festversammlung in Leipzig: Samstag, 10. September 2022

Tag 3: Samstag, 10. September 2022

Von extrasolaren Planeten, Koryphäen in spe und Bilder aus Hollywood

Der dritte Versammlungstag ist den Bildern aus Physik, Technik und Informatik gewidmet und führt am Vormittag zum Beispiel geradewegs in galaktische Weiten. Als kundige Reiseleiterin überzeugt Professorin Heike Rauer, Direktorin des Instituts für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie hat nicht nur ein faszinierendes Vortragsthema – die Vielfalt extrasolarer Planeten –, sie kann es auch verständlich und inspirierend vermitteln.

Die Reise führt über das bekannte Sonnensystem mit seinen acht Planeten hinaus in extrasolare Dimensionen, deren Erkundung mit den in den 1970-er Jahren gestarteten amerikanischen Voyager-Sonden begann. 1995 konnte mit „51 Pegasus b“ der erste extrasolare Planet dingfest gemacht werden, und zwar am französischen Observatorium Haute Provence. Die Entdeckung machte weltweit Schlagzeilen und brachte den beiden Forschern, Michel Mayor und Didier Queloz, im Jahr 2019 den Physiknobelpreis ein.

Inzwischen seien mehr als fünftausend Planeten um Sterne jenseits unseres Sonnensystems bekannt, sagt Heike Rauer. „Wir sind die erste Generation von Menschen, die Planeten um einen anderen Stern sehen können – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, das ist einfach fantastisch.“ Damit einher gehe allerdings auch die Einsicht, dass unser Sonnensystem vielleicht gar nicht so einzigartig ist, wie man lange glaubte. Rauer: „Was sich natürlich auch aufdrängt, ist die alte Menschheitsfrage: Gibt es da draußen Leben? Sind wir nicht allein auf dieser Welt?“

Doch wie schafft man es, Bilder von Planeten zu machen? Schließlich sind ihre Sterne millionenfach heller als die Trabanten. Um dennoch etwas zu sehen, decke man das Licht mit Blenden ab, berichtet Heike Rauer – ähnlich wie ein Mensch, der sich im grellen Licht die Hand vor die Augen hält. Mit der Methode der „Koronografie“ können wir tatsächlich ein Bild von Planeten außerhalb des Sonnensystems bekommen, auch wenn diese aufgrund der großen Entfernung nur als Punkte sichtbar sind. Leider sei dies aber bisher für nur sehr wenige Planeten möglich. Die zurzeit erfolgreichste Methode sei die sogenannte fotometrische Transitmethode: Mit ihr lassen sich Planeten entdecken, sobald der umlaufende Planet von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht und ihn dabei entsprechend seiner Größe verdunkelt.

Als Beobachtungsplattformen dienen Satelliten. Den ersten künstlichen Trabanten brachte die französisch-europäische Mission CoRoT ins All; es folgten die NASA-Missionen Kepler/K2 und TESS sowie die ESA-Missionen CHEOPS und in Zukunft PLATO.  „Die Kepler- und TESS-Missionen haben auch Citizen-Science-Projekte“, sagt Heike Rauer. Frische Daten würden sofort ins Netz gestellt, um allen Interessierten, auch Amateuren, die Planetensuche zu ermöglichen. Ihre Mitarbeiterin habe in diesen Daten „GJ367b“ entdeckt – „ein extrem schneller, sehr sternnaher und für Menschen leider unbewohnbarer Planet, der hauptsächlich aus Eisen zu bestehen scheint.“

Das große Ziel ihrer Zunft sei es, habitable Gesteinsplaneten zu finden. „Kleine Planeten entdecken wir immer wieder, aber bisher leider keine zweite Erde – auch wenn das in den Medien oft suggeriert wird.“ Um in der planetaren Vielfalt eines Tages vielleicht doch noch fündig zu werden, sei jetzt die Zeit für eine große Bestandsaufnahme gekommen. Diesem Ziel dient das ESA-Weltraumteleskop PLATO, dessen Instrumentenkonsortium Heike Rauer leitet. PLATO soll von Ende 2026 an die Milchstraße nach erdähnlichen Planeten absuchen, und zwar mit 26 Kameras, die kleinste Schwankungen der Sternhelligkeit hochgenau messen können. Rauer: „Das ist die die bisher größte Fläche an lichtempfindlichen Sensoren, die jemals gebaut wurde.“ Nachfolgende Missionen sollen, so der Plan, die Atmosphären der gefundenen erdähnlichen Planeten untersuchen, um mehr über ihre Bewohnbarkeit herauszufinden.

„Was wir heute wissen, ist: Das Sonnensystem ist nicht die Norm, vielmehr haben wir da draußen eine große Vielfalt“, sagt die Astrophysikerin. In ihrer Disziplin sei es gerade ein bisschen wie in der Botanik, als die ersten Forscher in die Natur gingen, um Pflanzen zu sammeln und zu ordnen. Heike Rauer: „Wir sind wie Kinder, die staunen und Fragen über Fragen haben.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© ESA – C. Carreau

Die Welt extrasolarer Planeten als künstlerische Impression.

Versammlungshashtag: #gdnae200

Weitere Informationen:

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Heike Rauer bei ihrer Vorlesung über die Vielfalt extrasolarer Planeten.

Fünf Fragen an Liv und Finn Hille

Mit seinen 20 Jahren ist Finn Hille bereits Alt-Kollegiat. Der Medizinstudent im fünften Semester war das erste Mal 2018 beim Schülerprogramm in Saarbrücken dabei und macht, weil es ihm damals so ausnehmend gut gefallen hat, in Leipzig zum zweiten Mal mit. Mit ihm sind gut zwanzig weitere Ehemalige angereist. „Viele haben einen weiten Weg auf sich genommen, um jetzt wieder dabei zu sein – das spricht für eine große Begeisterung“, sagt der Bonner Student.  Seine Schwester Liv Hille, 16 Jahre, steht neben ihm. Sie ist Schülerin am Bonner Clara-Schumann-Gymnasium und hat sich, nachdem ihr Bruder zu Hause so angeregt über seine Saarbrücker Erfahrung berichtet hatte, direkt bei der GDNÄ-Geschäftsstelle um einen Platz im diesjährigen Schülerprogramm beworben. Liv hat schon recht klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: „Ich will Humanmedizin studieren, vielleicht auch Chemie“, sagt die junge Frau. „Auf jeden Fall möchte ich Wissenschaftlerin werden.“

Wie gefällt es Ihnen hier auf der Tagung?

Liv: Ich bin sehr beeindruckt und habe großen Respekt vor allen, die hier vortragen. Das ist ja ein Gefühl, das man schnell als junger Mensch bekommen kann, aber hier muss ich nicht schüchtern sein und kann mit berühmten Wissenschaftlern ins Gespräch kommen. Mir macht das Mut, selbst eine Koryphäe in einem Fach zu werden. Die meisten Mitkollegiaten haben schon ihre fachlichen Schwerpunkte, aber alle sind sehr offen und wir haben viele gute Diskussionen.

Finn: Ich bin völlig von den Socken, was die Interdiszplinarität auf dieser Versammlung angeht. In der Medizin kommen ja viele grundlegende Erkenntnisse aus den Grenzbereichen und hier erhalte ich so viele Impulse aus anderen Gebieten, über die ich noch lange nachdenken kann. Was mir hier auch besonders gut gefällt, ist die große Diskursfreude – unter den Vortragenden, den Besuchern und im Schülerprogramm. Die GDNÄ ist ein Modell für die Zukunft, ein Ideal: So sollte Wissenschaft sein.

Die Vorträge sollen, so das Ziel, anspruchsvoll und verständlich sein. Gelingt das und was machen Sie, wenn Sie etwas mal nicht direkt verstehen? 

Liv: Bei manchen Vorträgen wird ein großes Grundwissen vorausgesetzt, das ich so noch nicht haben kann. Wenn Schwierigkeiten auftauchen, dann versuche ich den Vortrag anhand der Beispiele, die vorgestellt werden, wenigstens im Ansatz zu verstehen. Sollte das nicht gelingen, konzentriere ich mich auf das, was ich verstehe, und kann mir darüber oft vieles andere erschließen. Ich finde, es ist normal, nicht alles sofort zu verstehen. Ich knie mich dann rein und lerne dazu.

Finn: Natürlich stoße ich bei einigen Vorträgen auf Verständnisgrenzen. Dann mache ich es so wie ich es der Uni auch mache: Ich trete einen Schritt zurück und arbeite mich am roten Faden des Vortrags zurück bis zu einem Punkt, an dem ich wieder anknüpfen kann. Das ist meistens möglich, weil die GDNÄ-Vorträge hervorragend strukturiert sind. Sollte mir die erste Strategie nicht weiterhelfen, versuche ich, mich auf Aspekte zu konzentrieren, die ich einordnen kann und suche dann Bezüge zu meinem eigenen Fach.

Auf dieser Tagung wird Deutsch gesprochen. Wie finden Sie das?

Liv: Für meine Generation macht das den Zugang leichter. Wir sprechen alle ganz gut Englisch, aber auf Deutsch kommt man schneller und besser ins Gespräch.

Finn: Ich finde das angemessen für eine große Wissenschaftsnation, auch Tagungen in der Muttersprache abzuhalten und pflege diese Tradition gern mit. Bei Fachtagungen ist das etwas anderes. Da ist es wichtig, dass Experten aus vielen Länder sich in einer Sprache austauschen und das ist praktischerweise Englisch.

Auf der GDNÄ-Versammlung sind viele Generationen vertreten. Wie ist das für Sie?

Liv: Es ist beeindruckend, dass viele ältere Menschen von weither anreisen. Ich finde den Dialog zwischen den Generationen hier sehr gelungen und diskutiere gern mi erfahrenen Wissenschaftlern. Ich hatte zum Beispiel eine interessante Unterhaltung über Wissenschaftskommunikation mit einer Geologin im Vortragssaal.

Finn: Nicht nur die hier Vortragenden haben eine spannende Lebensgeschichte. In der Frühstückspause setzte sich beispielsweise ein älteres Pärchen zu uns. Die beiden kommen aus der Nähe von Stuttgart, er ist Chemiker – wir haben uns über den Vortrag über Biodiversität unterhalten, aus dem wir alle gerade kamen.

Wie bleibt die GDNÄ auch in Zukunft attraktiv?

Finn: Ich würde mir wünschen, dass die GDNÄ sich mehr einmischt in öffentliche Debatten. Sie hat da auch eine große Verantwortung. Ich denke da zum Beispiel an Initiativen zur Prävention von Infektionskrankheiten, die ein globales Risiko darstellen.

Liv:  Die GDNÄ hat so viel zu sagen. Ganz bestimmt wären auch an den Universitäten viele junge Menschen begeistert, hier mitzumachen. Aber noch fehlt es vielleicht an der direkten Einladung.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Liv Hille, 16 Jahre

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Finn Hille, 20 Jahre

Aladin © The Walt Disney Company

© The Walt Disney Company

Szene aus dem Disney-Film „Aladdin“ (2019).

Bilder aus Hollywood

Zum Abschluss des dritten Versammlungstages lädt Professor Markus Gross von der ETH Zürich das Publikum ein, ihm hinter die Kulissen des Filmbetriebs zu folgen. Für seinen Vortrag „Informatik für die Bilder aus Hollywood“ erntet er enthusiastischen Applaus. (Bericht folgt)

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Markus Gross bei seinem Vortrag in Leipzig.

Tag 2 der Festversammlung in Leipzig: Freitag, 9. September 2022

Tag 2: Freitag, 9. September 2022

Von Mini-Hirschen, Kamerafallen und neuen Materialien

So viele spannende Vorträge an einem Tag, so viele schöne Begegnungen auf dem Flur, dazu der Markt der Wissenschaften mit tollen Exponaten – gar nicht so einfach, alles in einen Tag zu packen. Deshalb reicht es an dieser Stelle, wie gestern auch schon, nur für einige Impressionen – mit einem viel reicheren Programm im Hintergrund. Nussschokoladensplitter sozusagen, um es in Anlehnung an den schönen Beton-Vergleich von Jan Wörner gestern Nachmittag zu sagen.

Lange Vorrede, los geht’s: Der Freitag begann mit einem Vortrag von Dr. Andreas Wilting zum Thema „Verborgenen Wildtieren tropischer Regenwälder auf der Spur“. Andreas Wilting ist Tropenbiologe und forscht am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin-Friedrichsfelde. Mit Blick auf das Tagungsthema „Wissenschaft im Bild“ stellte er in Leipzig zunächst seine Arbeit mit Kamerafallen vor, die ihm ganz neue Einblicke in die Lebenswelt tropischer Regenwälder erlaubt. „Wir dachten zum Beispiel, wir wissen alles über Orang-Utans und waren uns sehr sicher, dass die Tiere sich hauptsächlich in den Baumwipfeln aufhalten.“ Die Kamerafallen auf Borneo aber zeigten den Forschern um Andreas Wilting, dass Orang-Utans sich oft auf dem Boden aufhalten und sich dort, wie man sehen kann, auch sehr wohlfühlen. „Unser bisheriges Weltbild stimmte nicht“, räumt der 43-Jährige ein.

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

© IZW / Re:wild / SIE / NCNP

Mit der Kamerafalle ertappt: ein Vietnam-Kantschil.

Kamerafallen ermöglichten vor einigen Jahren auch die spektakuläre Wiederentdeckung einer Art, des Vietnam-Kantschils. Die erstaunlich kleine Hirschart hatte man für ausgestorben gehalten (siehe Interview in der Randspalte) – die Wiederbegegnung machte weltweit Schlagzeilen. 

In einem weiteren Schritt bringen die Berliner Forscher Kamerafallendaten mit hochauflösenden Satellitendaten zusammen, um funktionelle Karten zur Verbreitung von Arten zu erstellen. So konnten sie beispielsweise zeigen, dass der Klimawandel auch in Tropen bereits schlimme Folgen für die Artenvielfalt hat. Auf Borneo wurden mit der Methode bestimmte Gebiete kartiert, die besonderen Schutz brauchen. 

Angeheizt werde der Verlust von Säugetieren neben dem Klimawandel vor allem durch Waldrodungen und illegale Jagd, vor allem mithilfe von Drahtschlingen, berichtete Andreas Wilting. Zwar würden Ranger im Auftrag von Naturschutzorganisationen immer wieder Drahtschlingen entfernen, aber angesichts von schätzungsweise 13 Millionen dieser Tierfallen allein in Vietnam, Kambodscha und Laos sei der Kampf ziemlich hoffnungslos. Der große Hunger auf Wildtierfleisch, vor allem in asiatischen Großstädten, sei ungebrochen und noch gelte die illegale Jagd als Kavaliersdelikt.

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

© Green Viet

Aufstellung einer Kamerafalle in Vietnam.

Neuerdings kombiniert das Team um Wilting die Daten aus Kamerafallen mit genetischen Daten, gewonnen aus Blutegeln, die in der Umgebung von Fotofallen gefangen werden. „Unsere Blutegelproben enthalten die DNA von mehreren Säugetieren und auch Viren dieser Tiere. Über die Blutegel können wir mögliche neue, noch unbekannte Viren finden können“, sagt der Berliner Forscher. 

Was die Wildtierforscher noch planen? Eine immer großflächigere Erfassung sei das eine, berichtet Andreas Wilting, mehr Tempo das andere: „Wir müssen schneller werden. Oft dauert es Jahre von der Probennahme bis zur Analyse. Wir brauchen eine Fast-Echtzeit-Erfassung der Wildtiere, um sie besser schützen zu können.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Dr. Andreas Wilting

Drei Fragen an Andreas Wilting

Wie kamen Sie zu dieser Forschung?
Entscheidend für meine spezielle Ausrichtung war ein Auslandsjahr während meines Studiums in Nepal und Malaysia. In Nepal konnte ich in verschiedene Artenschutz- und Naturschutzprojekte reinschnuppern, etwa zum Schutz von Tigern. Wir haben das zusammen mit der lokalen Bevölkerung gemacht, das finde ich wichtig. In Malaysia gab es eine gute Kooperation mit einheimischen Fachleuten aus der Forstwirtschaft. Bis heute ist mir der enge Bezug zu den Nutzern meiner Forschung wichtig. 

Was war Ihre faszinierendste Entdeckung?
Wenn ich das nicht allein auf mich beziehen darf, sondern auf meine Arbeitsgruppe: Das Beeindruckendste war die Wiederentdeckung des Vietnam-Kantschils. Vor hundert Jahren wurde diese kaninchengroße Hirschart erstmals beschrieben, vor dreißig Jahren auf einem asiatischen Wildtiermarkt erneut gesichtet. Meine Arbeitsgruppe hat den Fund 2019 in einem Nature-Journal publiziert. Mithilfe von Kamerafallen konnten wir inzwischen drei Populationen in drei Provinzen Vietnams entdecken. Wir suchen jetzt nach weiteren Kantschil-Populationen und setzen mit vietnamesischen Kollegen alles daran, die seltene Tierart zu schützen. Dass uns ähnliche Wiederentdeckungen bei anderen verschollenen Tierarten gelingen, halte ich für unwahrscheinlich. 

Thema Biodiversität: Wo stehen wir in zehn Jahren?
Ich befürchte, dass wir den Artenschwund in diesem Zeitraum nicht aufhalten können, trotz neuer Methoden zur Bestandserfassung. Die Belastungsfaktoren sich einfach zu groß, vor allem durch illegale Jagd, Waldverlust und Klimawandel. Bis die Populationen sich wieder erholen, dauert es mindestens dreißig, vierzig Jahre – falls sich auf vielen Ebenen sehr viel ändert.  

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© WWF Viet Nam

Ein Ranger mit eingesammelten Drahtschlingen.

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

Liebig-Denkmünze for Claudia Felser 

Traditionell verleiht die Gesellschaft Deutscher Chemiker ihre Liebig-Denkmünze für hervorragende Leistungen auf dem gesamten Gebiet der Chemie auf den Versammlungen der GDNÄ. In diesem Jahr ging sie an Professorin Claudia Felser, Direktorin am Max-Planck-Institut für die Chemische Physik fester Körper in Dresden. Ausgezeichnet wurde die Chemikerin unter anderem für Design, Synthese und die physikalische Untersuchung neuer Quantenmaterialien.

Drei Fragen an Claudia Felser

Sie sind die erste Frau, die die Liebig-Denkmünze allein erhält. Es gibt diese Auszeichnung seit 117 Jahren. Was sagt Ihnen das?
Wir brauchen mehr Frauen in den Naturwissenschaften und insgesamt in akademischen Führungspersonen. Es wäre toll, schon bald weitere Kolleginnen als Preisträgerinnen zu sehen. Ich bin für den Tenure-Track nach amerikanischem Vorbild, der es ermöglicht, die eigene Karriere langfristig zu planen. Meine Tochter zum Beispiel ist Ingenieurin und promoviert gerade in Deutschland. Sie strebt keine wissenschaftliche Karriere an, weil sie nicht so oft umziehen möchte.

Wie sind Sie denn auf Ihren Weg gekommen?
Ich sollte eigentlich nicht aufs Gymnasium gehen, sondern wurde von meiner Mutter auf die Realschule geschickt. Aber ich war sehr gut in Mathe und Physik und ein Lehrer hat dann dafür gesorgt, dass ich doch aufs Gymnasium kam – in der achten Klasse. Auf der neuen Schule gab es einen Chemielehrer, der mich begeisterte. Er hat mich dann bestärkt, Chemie und Physik zu studieren. Aber das habe ich mir zu dem Zeitpunkt nicht zugetraut, vielmehr machte ich zuerst einen typischen Frauen-Umweg und studierte Sonderpädagogik. Was mich später sehr vorangebracht hat, war die große Freiheit, die ich in meiner Forschung hatte, mein wissenschaftlicher Fokus an der Grenze zwischen Physik und Chemie – und vor allem meine fabelhaften Mentoren, denen ich sehr dankbar bin.

Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?
Das Grundlegende und die Anwendungsnähe, beides. Wir machen Experimente mit anorganischen Materialien, um ganz neue Eigenschaften zu entdecken, die nützlich sein könnten, um zum Beispiel Abwärme in Strom zu verwandeln. Abwärme von Autos, von Häusern oder von Kraftwerken. Wir machen außerdem Experimente, von denen wir Auskunft über den Ursprung des Lebens und des Universums erwarten.

Versammlungshashtag: #gdnae200

Weitere Informationen:

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Prof. Dr. Claudia Felser

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

© Paul Mühlenhoff

Physiknobelpreisträger Professor Reinhard Genzel nach seinem Vortrag bei der GDNÄ, umringt von Schülerinnen und Schülern.

Tag 1 der Festversammlung in Leipzig: Donnerstag, 8. September 2022

Tag 1: Donnerstag, 8. September 2022

Schülerprogramm: Die Wissenschaft ist gefordert

Vorbereitungstreffen seit dem Frühsommer, intensive Diskussionen und schließlich die Einigung auf drei Kernthemen: Am Nachmittag des ersten Versammlungstages präsentierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schülerprogramms ihre Fragen an die Wissenschaft und fordert damit drei renommierte Wissenschaftler auf dem Podium heraus: die Biologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Professorin Antje Boetius, der Strukturbiologe und designierte Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, und der Bauingenieur, Wissenschaftsmanager und acatech-Präsident Jan Wörner.

Tag 1 der Festversammlung in Leipzig: Donnerstag, 8. September 2022

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Schülerpräsentation bei der Festversammlung mit Fragen das Wissenschaftlerteam (im Bild rechts: Antje Boetius, Patrick Cramer und Jan Wörner).

Den Aufschlag machten Zoe Klee und Julius May als Repräsentanten des Teams Biologie. Sie wollten wissen, ob Algen so eingesetzt werden können, dass sie das atmosphärische und im Meerwasser gelöste CO2 und andere Treibhausgase wie Methan abbauen können – und mit welchen Methoden sich die Algen möglicherweise für diese Aufgabe optimieren lassen. Dazu werde viel geforscht, sagte Antje Boetius, etwa in München-Martinsried. Allerdings sei das Enzym, das man dazu braucht, nicht einfach einzusetzen. „Die Chancen, dass wir Pflanzen dazu kriegen, mehr von unserem CO2 aufzunehmen, sind nicht sehr groß. Viel besser wäre es, wenn wir weniger emittieren würden.“ Auch Patrick Cramer wollte keine Hoffnungen auf schnelle Lösungen schüren: „So einfach ist das nicht mit den Algen und ihrer Optimierung.“ Schließlich sei die Biomasse die große Unbekannte im Klimasystem: „Wie viel Kohlenstoff wird gebunden und wo? Noch können wir das in unseren Modellen nicht vorhersagen.“

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Konzert des Albero Quartet beim abendlichen Buffet am ersten Versammlungstag.

Die Frage des Medizin-Teams – Yara Mshinsh und Elias Pantzier – lautete: „Was halten Sie für notwendig, um Individualmedizin für jeden Menschen zeitnah realisieren zu können?“ Noch gebe es keine wirklich individualisierte Medizin, sagte Patrick Cramer: „Bislang werden Patienten in Behandlungsgruppen eingeteilt, etwa beim Wirkstoff Herceptin, der nur bestimmten Brustkrebs-Patientinnen nützt.“ Die Schülerin und der Schüler hakten nach: „Was können Max-Planck-Institute denn beitragen, um die Individualmedizin voranzubringen?“ „Wir machen Grundlagenforschung“ antwortete Patrick Cramer, „aber wenn wir eine Technologie mit Nutzen für die Menschheit haben, dann entwickeln wir das gern weiter, etwa im Rahmen von Max-Planck-Innovation, einer Plattform für Ausgründungen aus der Forschung.“ Ein Erfolgsbeispiel sei ein Kinase-Inhibitor für die Krebstherapie. Cramer: „Wir bewegen uns rasant voran und entdecken immer wieder neue Prinzipien, die manchmal erst Jahrzehnte später den Patienten zugutekommen.“

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Astrophysiker Günther Hasinger erläutert seine Theorie zur Entstehung der Dunklen Materie.

Kämpferisch traten Patricia Städtler und Janis Hofmann vom Team Stadtentwicklung auf: Für die perfekte Stadt von morgen forderten sie preislich optimierten Wohnraum, reibungslosen und emissionsfreien Verkehr sowie eine „absolute Kreislaufwirtschaft“, die knappe Ressourcen wie Sand und Beton recycelt. „Ich warne davor, die perfekte Stadt zu suchen“, sagte Jan Wörner, und erinnerte an die vielen urbanen Visionen, die nie verwirklicht wurden. Statt einem Wolkenkuckucksheim nachzujagen, riet der Ingenieur, die bestmögliche Stadt zu ermöglichen – „das sollte unser Ziel sein“. Die Stadt der Zukunft müsse flexibel sein, kostengünstig und last, but not least auch sicher. „Die Wahrscheinlichkeit, dass hier im Kongresssaal die Decke runterfällt, ist nicht gleich Null“, sagte Wörner und erntete Heiterkeit. Holz sei nicht die Universallösung für klimafreundliches Bauen, betonte er, und Beton sei keineswegs tot. „Aber es muss nicht immer Zement sein, wir werden künftig auch Strukturen aus Algen bauen können.“ Es sei wichtig, viele Technologien im Auge zu behalten – „wir müssen offenbleiben.“

Zum Abschluss der angeregten Diskussion, unterhaltsam von GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse moderiert, warb Patrick Cramer um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schülerprogramms: „In der Wissenschaft brauchen wir junge Leute wie Sie.“ – Am Freitag, 9. September, wird die Forschung wieder herausgefordert: durch Fragen in der Sitzung Biologie, moderiert vom nächsten GDNÄ-Präsidenten, Professor Heribert Hofer.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Das Albero Quartet aus Leipzig.

Grußworte

Mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel ermunterte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger die jungen Leute auf der Tagung: „Bringen Sie sich ein – Deutschland braucht Sie.“ Dr. Matthias Rößler, Präsident des sächsischen Landtags, griff diesen Gedanken auf und dankte der GDNÄ für ihren Einsatz für den Nachwuchs.  Er erinnerte daran, dass die Naturforschergesellschaft im Laufe ihrer Geschichte immer wieder nach Sachsen zurückkehrte. Professor Thomas Fabian, Leipziger Bürgermeister, wies auf die außergewöhnlich dynamische Entwicklung seiner Stadt hin – mit einem Bevölkerungszuwachs um hunderttausend Menschen in nur zehn Jahren: „Unsere hohe Lebensqualität hat sich herumgesprochen, vor allem unter jungen Leuten.“

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Ehrungen

Die Alexander-von-Humboldt-Medaille für seine besonderen Verdienste für die GDNÄ erhielt der ehemalige Präsident der Gesellschaft (1995-1996), Physik-Professor Joachim Treusch. Er gehöre zu den „Weitblickern“, der seit jeher die Kommunikation mit der Gesellschaft gefördert habe, sagte Professorin Eva-Maria Neher in ihrer Laudatio. „Joachim Treusch ist ein großer Reformator der deutschen Wissenschaft, sein Rat und seine Weisheit sind nachgefragt wie eh und je.“ In seiner kurzen Dankrede erinnerte Treusch an eine erstaunlich korrekte Prognose zum Klimawandel der Deutschen Physikalischen Gesellschaft von 1985, die nicht zu den nötigen Konsequenzen führte: „Meine Hoffnung ist, dass die Jugend aus unseren Fehlern lernt.“

Die Lorenz-Oken-Medaille 2022 geht an Dr. Mai Thi Nguyen-Kim. Die Chemikerin und Journalistin war in Leipzig per Video zugeschaltet; überreicht wird ihr die Auszeichnung für ihre öffentliche Wissenschaftsvermittlung Anfang Oktober in Hannover beim Forum Wissenschaftskommunikation. Mai Thi griff das Motto des Schülerprogramms „Wir haben nur eine Welt“ auf und ermunterte die jungen Leute im Saal, für ein lebenswertes Morgen zu kämpfen: „Ihr seid die Zukunft unserer Spezies und das stimmt mich hoffnungsvoll.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Beim abendlichen Science Slam stellten junge Leute ihre Forschungsergebnisse in Kurzform vor.

Versammlungshashtag: #gdnä200

Weitere Informationen: