Tag 1: Donnerstag, 8. September 2022

Schülerprogramm: Die Wissenschaft ist gefordert

Vorbereitungstreffen seit dem Frühsommer, intensive Diskussionen und schließlich die Einigung auf drei Kernthemen: Am Nachmittag des ersten Versammlungstages präsentierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schülerprogramms ihre Fragen an die Wissenschaft und fordert damit drei renommierte Wissenschaftler auf dem Podium heraus: die Biologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Professorin Antje Boetius, der Strukturbiologe und designierte Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, und der Bauingenieur, Wissenschaftsmanager und acatech-Präsident Jan Wörner.

Tag 1 der Festversammlung in Leipzig: Donnerstag, 8. September 2022

© GDNÄ

Schülerpräsentation bei der Festversammlung mit Fragen das Wissenschaftlerteam (im Bild rechts: Antje Boetius, Patrick Cramer und Jan Wörner).

Den Aufschlag machten Zoe Klee und Julius May als Repräsentanten des Teams Biologie. Sie wollten wissen, ob Algen so eingesetzt werden können, dass sie das atmosphärische und im Meerwasser gelöste CO2 und andere Treibhausgase wie Methan abbauen können – und mit welchen Methoden sich die Algen möglicherweise für diese Aufgabe optimieren lassen. Dazu werde viel geforscht, sagte Antje Boetius, etwa in München-Martinsried. Allerdings sei das Enzym, das man dazu braucht, nicht einfach einzusetzen. „Die Chancen, dass wir Pflanzen dazu kriegen, mehr von unserem CO2 aufzunehmen, sind nicht sehr groß. Viel besser wäre es, wenn wir weniger emittieren würden.“ Auch Patrick Cramer wollte keine Hoffnungen auf schnelle Lösungen schüren: „So einfach ist das nicht mit den Algen und ihrer Optimierung.“ Schließlich sei die Biomasse die große Unbekannte im Klimasystem: „Wie viel Kohlenstoff wird gebunden und wo? Noch können wir das in unseren Modellen nicht vorhersagen.“

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

© GDNÄ

Konzert des Albero Quartet beim abendlichen Buffet am ersten Versammlungstag.

Die Frage des Medizin-Teams – Yara Mshinsh und Elias Pantzier – lautete: „Was halten Sie für notwendig, um Individualmedizin für jeden Menschen zeitnah realisieren zu können?“ Noch gebe es keine wirklich individualisierte Medizin, sagte Patrick Cramer: „Bislang werden Patienten in Behandlungsgruppen eingeteilt, etwa beim Wirkstoff Herceptin, der nur bestimmten Brustkrebs-Patientinnen nützt.“ Die Schülerin und der Schüler hakten nach: „Was können Max-Planck-Institute denn beitragen, um die Individualmedizin voranzubringen?“ „Wir machen Grundlagenforschung“ antwortete Patrick Cramer, „aber wenn wir eine Technologie mit Nutzen für die Menschheit haben, dann entwickeln wir das gern weiter, etwa im Rahmen von Max-Planck-Innovation, einer Plattform für Ausgründungen aus der Forschung.“ Ein Erfolgsbeispiel sei ein Kinase-Inhibitor für die Krebstherapie. Cramer: „Wir bewegen uns rasant voran und entdecken immer wieder neue Prinzipien, die manchmal erst Jahrzehnte später den Patienten zugutekommen.“

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

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Astrophysiker Günther Hasinger erläutert seine Theorie zur Entstehung der Dunklen Materie.

Kämpferisch traten Patricia Städtler und Janis Hofmann vom Team Stadtentwicklung auf: Für die perfekte Stadt von morgen forderten sie preislich optimierten Wohnraum, reibungslosen und emissionsfreien Verkehr sowie eine „absolute Kreislaufwirtschaft“, die knappe Ressourcen wie Sand und Beton recycelt. „Ich warne davor, die perfekte Stadt zu suchen“, sagte Jan Wörner, und erinnerte an die vielen urbanen Visionen, die nie verwirklicht wurden. Statt einem Wolkenkuckucksheim nachzujagen, riet der Ingenieur, die bestmögliche Stadt zu ermöglichen – „das sollte unser Ziel sein“. Die Stadt der Zukunft müsse flexibel sein, kostengünstig und last, but not least auch sicher. „Die Wahrscheinlichkeit, dass hier im Kongresssaal die Decke runterfällt, ist nicht gleich Null“, sagte Wörner und erntete Heiterkeit. Holz sei nicht die Universallösung für klimafreundliches Bauen, betonte er, und Beton sei keineswegs tot. „Aber es muss nicht immer Zement sein, wir werden künftig auch Strukturen aus Algen bauen können.“ Es sei wichtig, viele Technologien im Auge zu behalten – „wir müssen offenbleiben.“

Zum Abschluss der angeregten Diskussion, unterhaltsam von GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse moderiert, warb Patrick Cramer um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schülerprogramms: „In der Wissenschaft brauchen wir junge Leute wie Sie.“ – Am Freitag, 9. September, wird die Forschung wieder herausgefordert: durch Fragen in der Sitzung Biologie, moderiert vom nächsten GDNÄ-Präsidenten, Professor Heribert Hofer.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Das Albero Quartet aus Leipzig.

Grußworte

Mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel ermunterte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger die jungen Leute auf der Tagung: „Bringen Sie sich ein – Deutschland braucht Sie.“ Dr. Matthias Rößler, Präsident des sächsischen Landtags, griff diesen Gedanken auf und dankte der GDNÄ für ihren Einsatz für den Nachwuchs.  Er erinnerte daran, dass die Naturforschergesellschaft im Laufe ihrer Geschichte immer wieder nach Sachsen zurückkehrte. Professor Thomas Fabian, Leipziger Bürgermeister, wies auf die außergewöhnlich dynamische Entwicklung seiner Stadt hin – mit einem Bevölkerungszuwachs um hunderttausend Menschen in nur zehn Jahren: „Unsere hohe Lebensqualität hat sich herumgesprochen, vor allem unter jungen Leuten.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Ehrungen

Die Alexander-von-Humboldt-Medaille für seine besonderen Verdienste für die GDNÄ erhielt der ehemalige Präsident der Gesellschaft (1995-1996), Physik-Professor Joachim Treusch. Er gehöre zu den „Weitblickern“, der seit jeher die Kommunikation mit der Gesellschaft gefördert habe, sagte Professorin Eva-Maria Neher in ihrer Laudatio. „Joachim Treusch ist ein großer Reformator der deutschen Wissenschaft, sein Rat und seine Weisheit sind nachgefragt wie eh und je.“ In seiner kurzen Dankrede erinnerte Treusch an eine erstaunlich korrekte Prognose zum Klimawandel der Deutschen Physikalischen Gesellschaft von 1985, die nicht zu den nötigen Konsequenzen führte: „Meine Hoffnung ist, dass die Jugend aus unseren Fehlern lernt.“

Die Lorenz-Oken-Medaille 2022 geht an Dr. Mai Thi Nguyen-Kim. Die Chemikerin und Journalistin war in Leipzig per Video zugeschaltet; überreicht wird ihr die Auszeichnung für ihre öffentliche Wissenschaftsvermittlung Anfang Oktober in Hannover beim Forum Wissenschaftskommunikation. Mai Thi griff das Motto des Schülerprogramms „Wir haben nur eine Welt“ auf und ermunterte die jungen Leute im Saal, für ein lebenswertes Morgen zu kämpfen: „Ihr seid die Zukunft unserer Spezies und das stimmt mich hoffnungsvoll.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

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Beim abendlichen Science Slam stellten junge Leute ihre Forschungsergebnisse in Kurzform vor.

Versammlungshashtag: #gdnä200

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