„Es kommen rumpelige Jahre“

Marion Merklein, Ingenieurwissenschaftlerin, Firmenchefin und Mitglied des GDNÄ-Vorstandsrats, über die Zeitenwende im Maschinenbau, Schnupper-Unis  und frühe Erfolge mit dem Bohrhammer. 

Frau Professorin Merklein, an Ihrem Institut an der Universität Erlangen-Nürnberg entwickeln Sie ganze Fertigungsstraßen und realisieren diese zusammen mit Industrieunternehmen. Sind die Aussichten für den deutschen Maschinenbau wirklich so düster, wie derzeit oft gesagt wird?
Ich gehöre nicht zu den Schwarzmalern. Aber es wird in den nächsten Jahren gehörig rumpeln im Land. Der Maschinenbau steckt mitten in einer großen Transformation, die uns voraussichtlich noch bis zum Ende des Jahrzehnts beschäftigen wird. Erst dann geht es wieder aufwärts. 

Mit welcher Transformation haben wir es im Maschinenbau zu tun? 
Dreh- und Angelpunkt ist die Energiewende, die uns weg von fossilen Energieträgern und hin zu grünem Strom und Wasserstoff führen wird. Gleichzeitig sollen Energieverbrauch und Abfallvolumen sinken. Allein das sind schon kolossale Herausforderungen für den Automobilbau und viele andere Branchen des Maschinenbaus. Was die Situation zusätzlich belastet ist die sinkende Auftragslage vor dem Hintergrund einer globalen Konjunkturflaute und ein dramatischer Fachkräftemangel. Wir dürfen das Problem gesellschaftlich nicht unterschätzen, denn in Deutschland hängt jeder fünfte Arbeitsplatz am Maschinenbau. 

Was trägt Ihre Forschung zur Lösung der Probleme bei?
An unserem Uni-Institut kreist vieles um die Frage, wie man Prozessketten verschlanken kann. Zum Beispiel beim Bau von Wasserstoffantrieben. Heute sind solche Motoren praktisch Manufaktur-Produkte mit Kleinserien wie beim „Mirai“: Von dieser Limousine mit Brennstoffzelle stellt Toyota nur 30.000 Stück pro Jahr her. Das ist auf Dauer natürlich unwirtschaftlich. Aktuell konzipieren wir daher Fertigungsstraßen für die Großserienproduktion. Damit sollen in Zukunft Millionen von Wasserstoffantrieben für Kraftfahrzeuge aller Art hergestellt werden können. Darüber hinaus entwickeln wir Techniken, um den Wärmeverbrauch beim Fügen von Bauteilen zu reduzieren und spanlose Trenntechniken, was etwa beim Schneiden von Werkstücken zu weniger Abfall führt. 

Neben Ihrer Tätigkeit an der Universität sind Sie auch Firmenchefin. Was treibt Sie an?
Wir wollen Forschungsergebnisse aus der Uni schneller als üblich in die Praxis bringen. 2019 habe ich deshalb die Leitung der Firma „Neue Materialien Fürth“ übernommen. Es handelt sich um eine Landesforschungseinrichtung, die dem Freistaat Bayern zu 51 Prozent und mehreren Miteigentümern zu 49 Prozent gehört. Ich besitze auch einen Anteil. Die Firma lässt sich mit einem Fraunhofer-Institut vergleichen, allerdings mit einer viel schlankeren Verwaltung. Uns stehen große Anlagen im industriellen Maßstab zur Verfügung. Das ermöglicht uns realitätsnahe Versuche, die an der Universität so nicht möglich sind.

Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). © IQOQI/M.R.Knabl

© FAU/Giulia Iannicelli

Marion Merklein mit einem Blechzuschnitt, aus dem Zugproben für die Materialprüfung ausgeschnitten wurden. Aus den Zugproben werden Eingangsdaten und Materialkarten erstellt, um damit Fertigungsprozesse simulieren zu können.

Gibt es schon Ergebnisse zum Anfassen?
Ja, da die gibt es und schon bald wird etwas dazukommen, das den Elektromaschinenbau voranbringt. Es geht um eine innenliegende Komponente, über die ich jetzt nicht mehr verraten kann, weil das Patentverfahren noch läuft. Die Entwicklung fußt auf Ergebnissen eines Transregio-Förderprogramms zum Thema Blechmassivumformung und ist ein gutes Beispiel für gelungenen Forschungstransfer. Neue Materialien Fürth macht auch Auftragsforschung und übernimmt Dienstleistungen – unterm Strich schreiben wir schwarze Zahlen. 

Noch sind Frauen im Maschinenbau eine Minderheit. Wie sieht es in Ihrem Umfeld aus?
Als ich meine Professur antrat, war ich im Fachgebiet die einzige Frau weit und breit. Über die Jahre hat sich aber viel getan. Heute sind die Professuren im Maschinenbau an der FAU zu knapp einem Drittel mit Frauen besetzt. Ich verstehe mich da durchaus als Rollenmodell. Und in meinen Arbeitsgruppen stelle ich immer wieder fest, dass gemischte Teams die besten Ergebnisse erzielen. 

Woher kommt Ihre Faszination für das Metier?
Mein Vater spielte eine große Rolle. Ich war acht Jahre alt, als er mir die Hilti in die Hand drückte, um einen Mauerdurchbruch zu machen. Ich wollte das unbedingt, er hat es mir zugetraut und ich habe es geschafft. In der Schule war ich sehr gut in Physik und als es ans Studieren ging, entschied ich mich für Werkstoffwissenschaften. Mit der Zeit gefiel mir der Maschinenbau noch besser, ich schwenkte um und legte meinem Promotion in diesem Fach ab. 

Instituts für Fertigungstechnologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. © FAU

© FAU

Außenansicht des Instituts für Fertigungstechnologie an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Sie haben schnell Karriere gemacht und waren schon mit 34 Jahren Professorin. Was hat Ihnen Flügel verliehen?
Vor allem die zuverlässige Unterstützung durch meinen Doktorvater und Mentor, Professor Manfred Geiger. Er hat mich von Anfang an gefördert und mich auf alle möglichen Veranstaltungen und Tagungen mitgenommen. So konnte ich in Leitungsfunktionen hineinwachsen. 

Heute ist es an Ihnen, den Nachwuchs zu fördern. 
Leider macht sich der Nachwuchs rar. Im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten haben wir bis zu  40 Prozent weniger Studierende und entsprechend weniger akademischen Nachwuchs. Technikwissenschaftliche Studiengänge haben für junge Leute an Reiz verloren. Wenn sie überhaupt in eine technische Richtung gehen, machen viele von ihnen eher eine Berufsausbildung. Ausländische Studierende können das Defizit nur zum Teil ausgleichen. Wir müssen uns daher etwas einfallen lassen, um junge Leute für unser Fach zu begeistern. 

Was tun Sie dafür? 
Mein Team und ich halten Vorträge in Schulen, bieten Technikpraktika an und in den Pfingstferien veranstalten wir eine Schnupper-Uni: Da können uns dann Schülerinnen und Schüler eine Woche lang über die Schulter schauen. Derzeit tüfteln wir an kleinkindgerechten Experimenten, mit denen wir auch in Kitas gehen können. 

Sie sind Fachvertreterin für die Ingenieurwissenschaften in der GDNÄ. Was hat Sie gereizt, die Aufgabe zu übernehmen?
Ich wurde sehr freundlich vom Vorstand gefragt und habe das Angebot als Ehre empfunden. Die Interdisziplinarität der GDNÄ gefällt mir, das macht sie für mich so besonders und dafür engagiere ich mich gern.

 

Marion Merklein © FAU

© FAU

Prof. Dr.-Ing. Marion Merklein leitet den Lehrstuhl für Fertigungstechnologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Zur Person

Die Forschungslaufbahn von Prof. Dr.-Ing. Marion Merklein ist eng mit der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) verbunden. Dort studierte sie Werkstoffwissenschaften und wurde  promoviert, dort arbeitete sie als Oberingenieurin und Forschungsgruppenleiterin und habilitierte sich. Im Alter von nur 34 Jahren erhielt Merklein drei Angebote für Professuren aus dem In- und Ausland, entschied sich aber erneut für die FAU. Ihr Lehrstuhl für Fertigungstechnologie gilt als eines der international führenden Zentren auf seinem Gebiet mit hervorragenden Kontakten in Wissenschaft und Wirtschaft.

Die mehr als 600 Forschungsarbeiten Marion Merkleins decken ein breites Themenspektrum ab, wobei ihre Hauptinteressen in der Auslegung und Optimierung von Blechleichtbaukonstruktionen, der Blechwarmumformung (Presshärten) und der Blechmassivumformung liegen. In vielen Fällen gelingt Merklein der Brückenschlag zwischen Werkstoffkunde und Fertigungstechnik, wobei sie häufig für die industrielle Anwendung relevante Fragestellungen aufgreift.

Die 50-jährige Wissenschaftlerin wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2013) und mit dem Bayerischen Verdienstorden (2018). Sie ist Mitglied der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopodina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech. Marion Merklein leitet zudem ein Unternehmen, die Neue Materialien Fürth GmbH, eine Landesforschungseinrichtung, die das Ziel verfolgt, Erkenntnisse grundlagenwissenschaftlicher Arbeiten in die Industrie zu fördern.

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