Die GDNÄ trauert um ihren Altpräsidenten Professor Wolfgang Gerok

Zum Gedenken

Die GDNÄ trauert um ihren Altpräsidenten Professor Wolfgang Gerok

Der ehemalige Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ), der Mediziner Professor Wolfgang Gerok, ist am 16. Januar 2021 im Alter von 94 Jahren in Freiburg verstorben. Wolfgang Gerok war in den Jahre 1987 bis 1988 und 1990 Präsident der GDNÄ und leitete die 115. Versammlung in Freiburg und die 116. Versammlung in Berlin. 

„Wolfgang Gerok war einer der ganz großen Mediziner der Nachkriegszeit“, sagt der GDNÄ-Präsident Professor Martin Lohse. „Er wusste die klinische Medizin mit den Grundlagenwissenschaften zu verbinden: Das lebte er vor und gab es seinen Schülern und Freunden auf den Weg. Mit seinen Konzepten prägte Wolfgang Gerok die deutsche Wissenschaftslandschaft – und für die GDNÄ war er ein herausragender Präsident.“

Wolfgang Gerok kam 1926 in Tübingen zur Welt. Nach dem Medizinstudium in Tübingen und Freiburg wurde er Internist mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Hepatologie und Stoffwechselkrankheiten. Von 1968 bis 1994 hatte er den Lehrstuhl für Innere Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne und war Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II Medizinischen Universitätsklinik Freiburg. Von 1987 bis 1995 war Wolfgang Gerok Mitglied des Senats der Max-Planck-Gesellschaft. Als Vorsitzender des Gründungs- und Planungsausschusses für das Max Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin-Buch schuf er zwischen 1991 und 1993 die Grundlagen für dessen erfolgreiche Arbeit. Wolfgang Gerok wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern, der Cothenius-Medaille der Leopoldina und der Ernst-Jung-Medaille für Medizin in Gold sowie mit dem Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste.

Die GDNÄ wird ihrem ehemaligen Präsidenten ein ehrendes Andenken bewahren.

Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies

Wolfgang Gerok

Neuer Infoflyer: Kompaktes Porträt der GDNÄ

Neuer Infoflyer

Ein Porträt der GDNÄ im Kompaktformat

„Wissen in bester Gesellschaft“: Unter diesem Titel stellt sich die GDNÄ mit einer neuen Informationsbroschüre vor. Der sechsseitige Flyer im praktischen Format skizziert die große Tradition unserer wissenschaftlichen Gesellschaft, stellt das vielfältige Arbeitsspektrum vor und zitiert verdiente Mitglieder.

Beispielhaft sei Paul Mühlenhoff, der Leiter des GDNÄ-Schülerprogramms, genannt: „Bei der GDNÄ erleben Schüler, was erst 20 Jahre später in den Schulbüchern steht“. Der attraktive Flyer eignet sich hervorragend zur Gewinnung neuer Mitglieder. Gedruckte Flyer können Sie kostenfrei bei der Geschäftsstelle anfordern (E-Mail oder Anruf genügt). Als PDF in zwei unterschiedlichen Größen steht die neue Broschüre hier zur Verfügung:

Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies
Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies
„Wissen in bester Gesellschaft“: Neuer Infoflyer der GDNÄ

Heribert Hofer Wir haben eine Menge Ideen für die Zukunft

„Wir haben eine Menge Ideen für die Zukunft“

Heribert Hofer, Zoologe und designierter GDNÄ-Präsident, über seine Pläne für die nächsten Jahre, Wildtier-Forschung in Afrika und Naturschutz auf wissenschaftlicher Grundlage

Herr Professor Hofer, seit Anfang 2021 sind Sie Vizepräsident der GDNÄ. Was bedeutet Ihnen diese Aufgabe?
Sehr viel. Ich bin der GDNÄ ja schon seit vielen Jahren verbunden – zuletzt als Vorsitzender der Gruppe Biologie. Dass ich mich jetzt noch stärker für die älteste und größte interdisziplinäre wissenschaftliche Gesellschaft in Deutschland engagieren kann, empfinde ich als Ehre. Bis heute ist die GDNÄ eine feste Größe in unserem Wissenschaftssystem: Hier kommen führende Forscher zusammen, um über Fachgrenzen hinweg miteinander zu diskutieren und dabei die Öffentlichkeit einzubeziehen. Das ist einmalig und dafür bewundere ich die GDNÄ.

Welche Akzente möchten Sie als Vizepräsident setzen?
Mir liegt die Förderung der jungen Generation sehr am Herzen. Ein Beispiel dafür sind die Science Slams für Schüler, die ich bei den letzten Versammlungen in Greifswald und Saarbrücken initiiert und moderiert habe. Die jungen Leute hatten, glaube ich, großen Spaß und die Älteren schauten sich das gern an. In den kommenden Jahren möchte ich helfen, das wunderbare Schülerprogramm der GDNÄ weiter auszubauen und bundesweit zu verankern. Eine Idee ist, erfahrene Wissenschaftler als Mentoren zu gewinnen: Sie könnten unsere Nachwuchstalente individuell betreuen und längerfristig begleiten. Das Schülerprogramm soll eine zentrale Einrichtung der GDNÄ werden – das ist meine Vision für die Zukunft.

blank

Aus dem Landrover beobachtet Heribert Hofer das Verhalten von Raubtieren.

Sie sind heute ein international anerkannter Wildtierforscher und Institutsleiter. Wer hat Sie am Anfang Ihres Weges gefördert? Was hat Sie geprägt?
Ich bin in den 1960-er, 1970er-Jahren groß geworden, da gab es solche tollen Programme noch nicht. Beeinflusst haben mich vor allem einzelne Lehrer aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und, ganz wichtig, bestimmte Bücher.   Woran ich mich gut erinnere, ist das Buch „Prinzip Eigennutz“ des deutschen Verhaltensforschers Wolfgang Wickler. Es erschien 1977, also ein Jahr nach Richard Dawkins´ Buch über das egoistische Gen. Mein Patenonkel hatte mir Wicklers Werk geschenkt und ich habe es regelrecht verschlungen. Sehr wichtig war auch die Evolutionäre Erkenntnistheorie des Physikers und Philosophen Gerhard Vollmer. Seine Bücher habe ich schon in der Schulzeit mit Begeisterung gelesen, wobei ich mich nicht mehr erinnern kann, wie ich auf sie gestoßen bin.  Was steuert das Verhalten? Nach welchen Regeln funktioniert sozialer Zusammenhalt? Wie zutreffend ist die Wahrnehmung der Realität? Das sind Fragen, die mich seither umtreiben.

Damit hätten Sie auch Sozialwissenschaftler werden können.
Dann hätte ich mich aber nicht mit Raubtieren beschäftigen können (lacht). Raubtiere sind sehr intelligente Lebewesen und ihr Verhalten im Freiland zu beobachten und daraus Schlüsse zu ziehen, ist unglaublich faszinierend.

Seit vielen Jahren beobachten Sie Tüpfelhyänen in der ostafrikanischen Savanne. Warum ausgerechnet Tüpfelhyänen?
Diese Raubtiere haben ein sehr komplexes Sozialverhalten und leben in weiblich dominierten Gruppen. Damit verhalten sie sich quasi spiegelbildlich zu der bei Säugetieren üblichen männlichen Dominanz. Um diese Besonderheit genauer zu erforschen, bin ich 1986 erstmals in die Serengeti gereist. Das ist ein tansanischer Nationalpark von der Größe Schleswig-Holsteins, in dem mehr als eine Million Gnus, Hunderttausende Zebras und Abertausende Büffel, Löwen, Hyänen und andere Großsäuger leben – so konzentriert, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Mitten in der Serengeti, im Tal des Flusses Seronera, liegt ein internationales Forschungsinstitut mit Unterkünften für Wissenschaftler. Dort haben wir zwei Häuser gemietet und renoviert und da halte ich mich seit 33 Jahren regelmäßig zu Studienzwecken auf, oft zusammen mit meiner Frau, der Verhaltensökologin Marion East, und Teammitgliedern.

blank

Drei Gepardenmännchen rasten in der Serengeti.

Wie können wir uns das Forscherleben dort vorstellen?
Es ist ein einfaches Leben. Wir wohnen in recht simplen Hütten, die rund um das Institut verstreut liegen. Unseren Strom beziehen wir aus Photovoltaikanlagen, das Wasser kommt aus großen Tanks, die das Regenwasser vom Dach sammeln. Wer handwerkliche Fähigkeiten besitzt, ist im Vorteil: Ständig gibt es etwas zu reparieren – in der Hütte, am wissenschaftlichen Equipment oder am Landrover. Im Forschungsinstitut leben Wissenschaftler aus aller Welt, drei Viertel von ihnen sind Frauen. Geselligkeit gibt es eher wenig, denn alle sind vollauf mit ihren eigenen Projekten beschäftigt. Wir zum Beispiel verlassen unser Quartier immer sehr früh und bleiben lange weg, um die Hyänen im Zentrum der Serengeti zu beobachten. Die besten Zeiten dafür sind zwischen halb sieben und halb zehn morgens und zwischen halb fünf und acht Uhr abends – also um Sonnenaufgang und Sonnenuntergang herum.

Es handelt sich um Langzeitprojekte: Wie groß ist Ihr Datenschatz inzwischen?
Mittlerweile kennen wir die kompletten individuellen Lebensläufe von gut 2500 Hyänen über mehrere Generationen hinweg. Dazu können wir in unserem Studiengebiet bleiben, denn die Gruppenterritorien werden von der Müttergeneration an die Töchtergeneration weitergegeben.  Auch im Ngorongoro-Krater, das ist ein zweites im Südwesten der Serengeti gelegenes Studiengebiet, untersuchen unsere Mitarbeiter Hyänen – und das seit bald fünfundzwanzig Jahren.

Was haben Sie bisher über das Sozialverhalten der Tüpfelhyänen herausgefunden?
Eine zentrale Frage war von Anfang an, wie es zu der ausgeprägten weiblichen Dominanz kommt, welchen Vorteil sie hat und wie sie entstanden sein könnte. Ganz oben im Rudel steht ein Alpha-Weibchen, dann folgen in strenger Hierarchie andere Weibchen und alle männlichen Clan-Mitglieder stehen unter dem rangniedrigsten Weibchen. Das liegt nicht etwa an hormonellen Unterschieden, wie heute noch fälschlich in Lehrbüchern behauptet wird. Wir konnten vielmehr zeigen, dass weibliche Dominanz bei Tüpfelhyänen ein erlerntes Verhalten ist und letztlich auf einer pseudo-freiwilligen Selbstunterwerfung der Männchen beruht. Sie haben keine andere Wahl, weil die Weibchen Koalitionen bilden und die Männchen regelmäßig dominieren. Auch haben Männchen bei der Paarung nur dann eine Chance, wenn es ihnen gelungen ist, eine freundschaftliche Beziehung zu einem Weibchen aufzubauen.

Soziale Kompetenz ist also ein echter Vorteil?
Das ist ganz eindeutig so. Hinzu kommt, dass sich insbesondere junge Weibchen vor allem für frisch in das Rudel eingewanderte oder später als sie selbst geborene Männchen des eigenen Clans interessieren. Deshalb suchen sich kluge Männchen diejenige Gruppe im Umfeld aus, die die meisten jungen Weibchen aufweist und wandern ab.  Dadurch wird zugleich sehr erfolgreich Inzest vermieden, was durchaus ein Problem in einer Gruppenstruktur sein könnte, in der die jungen Weibchen weder die älteren Brüder noch ihren Vater kennen. Dafür konnten wir überzeugende Belege in unserer Langzeitstudie im Ngorongoro-Krater finden.

Seit 2000 leiten Sie das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Osten Berlins. Da noch selbst zu forschen, ist vermutlich gar nicht so einfach.
Das stimmt, aber eigene Forschung war mir immer wichtig. Leider kann ich nicht mehr so wie zu Anfang meiner Laufbahn monatelang in der Serengeti sein. Aber auf drei, vier Wochen Feldforschung im Jahr komme ich immer noch.

Eine große Rolle spielt an Ihrem Institut der wissenschaftsbasierte Naturschutz. Was genau ist darunter zu verstehen?
Ein gutes Beispiel ist die Lösung, die ein Team aus meinem Institut für den Konflikt zwischen Rinderfarmern und Geparden in Namibia gefunden hat. Im Dezember 2020 haben wir darüber im Fachjournal PNAS berichtet. In Zentralnamibia leben einige Hundert Individuen der seltenen Großkatzenart frei auf den Ländereien von Rinderfarmern. Gelegentlich erlegen die Geparde Rinderkälber, was zu erheblichen Konflikten führte. Wir haben uns mit den Viehzüchtern zusammengesetzt, deren Anregungen und Fragen aufgenommen und gemeinsam eine Forschungsstrategie entworfen. Gemeinsam haben wir es dann geschafft, 250 Geparde mit Funksendern zu versehen, um ihr Bewegungsverhalten und ihre Raumnutzung zu erfassen. Es stellte sich heraus, dass es besonders gefährliche Orte für Kälber gibt – nämlich dort, wo sich Geparden aus der Region regelmäßig treffen, um Informationen auszutauschen oder Paarungspartner zu finden.

blank

Gruppenbild im Grünen: Die Mitarbeiter des Instituts für Zoo- und Wildtierforschung auf der Wiese vor dem Forschungsgebäude in Berlin-Friedrichsfelde.

In Medienberichten wurden die Treffpunkte mit großstädtischen Szeneclubs verglichen.
Ja, so könnte man auch dazu sagen. Wir sprechen eher von Kommunikationszentren. Wenn die Farmer wussten, um welche Gebiete es sich dabei handelte – wir konnten ihnen das genau sagen, sofern wir auf ihrer Farm einen mit Sender ausgestatteten Geparden hatten – und dann ihre Herden während der Kalbzeit an andere Stellen verlegten, sanken die Verluste um mehr als 80 Prozent. Ein großer Erfolg, der nur durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Farmern möglich war. Unseren Part sehen wir darin, zusammen mit den Betroffenen Fragen zu sammeln und darauf wissenschaftlich begründete Antworten zu finden. Mit diesem Ansatz versuchen wir in Deutschland gerade, in der Auseinandersetzung um die Wiederbesiedlung von Wölfen zu einer Lösung zu kommen.

Wie stehen die Chancen?
Der Ausgang ist offen. Gegenüber Deutschland hat Namibia den Vorteil, dass dort sowohl von staatlicher Seite als auch von den Betroffenen selbst die Probleme ehrlich angesprochen und ernst genommen werden. Das ist in Deutschland so noch nicht der Fall. Hierzulande gehört der Wolf berechtigterweise zu den geschützten Arten, andererseits werden die Interessen der Landbevölkerung von Parlamentariern und Ministerien nicht ausreichend beachtet. Daher sind insbesondere die Schafzüchter, die sehr fragile wirtschaftliche Existenzen haben und sich aufwändige Schutzmaßnahmen nicht leisten können, sehr verärgert. In diesem Konfliktfeld bewegen wir uns.

Bereits jetzt ist Ihr Institut auf vielen Kontinenten aktiv und forscht zu einer erstaunlichen Fülle von Themen.  Lässt sich das noch toppen?
Ich denke schon. Wir haben jedenfalls eine Menge Ideen für die Zukunft. In den nächsten Jahren wollen wir zum Beispiel das Potential moderner Fernerkundung verstärkt einsetzen. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickeln wir derzeit Methoden, um bedrohte Tierarten per Satellit aufzuspüren und in Fast-Echtzeit zu beobachten. Bislang werden die Bestände mit großem technischem und zeitlichem Aufwand erfasst. Relevante Informationen kommen oft viel zu spät. Mithilfe von Satelliten ließen sich auch Tierwanderungen auf großen Flächen besser beobachten, etwa in der Serengeti-Savanne. In einem anderen Projekt wollen wir Geier mit intelligenten Funksendern ausstatten, um Kadaver von Elefanten aufzuspüren, die Wilderern zum Opfer fielen. Die mit Hilfe künstlicher Intelligenz sachgerecht aufbereiteten Informationen könnten dann quasi in Echtzeit an Patrouillen und Strafverfolgungsbehörden weitergeben werden. Neueste molekularbiologische Methoden, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz: Sobald wir all das zusammen einsetzen können, sind wir fit für die Zukunft – mit einem modernen, evidenzbasierten Natur- und Artenschutz.

Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies
Prof. Dr. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung

Zur Person
Prof. Dr. Heribert Hofer (60) leitet das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin-Friedrichsfelde seit dem Jahr 2000. Bis 2017 war er zudem Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie an seinem Institut. Seit 2000 hat Hofer eine Professur für Interdisziplinäre Zoo und Wildtierforschung an der Freien Universität Berlin inne. Vor seiner Berliner Zeit war er von 1986 bis 1999 im Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayerischen Seewiesen tätig – zunächst als Postdoktorand, später als selbstständiger Wissenschaftler. 1997 habilitierte er sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über das Verhalten von Tüpfelhyänen in der Serengeti-Savanne.  Sein Studium der Zoologie begann Heribert Hofer an der Universität des Saarlandes und schloss es an der Universität Oxford mit der Promotion zum „DPhil“ ab.

Der international bekannte Wissenschaftler ist der GDNÄ eng verbunden. Er engagiert sich seit vielen Jahren auf mannigfache Weise: als gewählter Fachvertreter und Gruppenvorsitzender für das Fach Biologie sowie als Sitzungsleiter und Vortragender auf Versammlungen, etwa 2014 in Mainz, 2016 in Greifswald und 2018 in Saarbrücken. Besonders am Herzen liegt Heribert Hofer neben der Wissenschaftskommunikation mit der Öffentlichkeit auch die Förderung junger Talente im Rahmen des GDNÄ-Schülerprogramms. Im November 2020 wurde Professor Hofer von der Mitgliederversammlung zum neuen Vizepräsidenten gewählt; seit Anfang 2021 übt er die ehrenamtliche Funktion aus. Als Vizepräsident ist Hofer zugleich designierter Präsident der GDNÄ. Dieses Amt wird er im Jahr 2023 antreten. 

Hyänen-Zwillingspärchen © Marion L. East und Heribert Hofer

Schicksale der Serengeti: Das Bild zeigt zwei junge Hyänen-Zwillingspärchen, die gemeinsam aufwuchsen und deren Lebensweg Heribert Hofer und Marion East in einem Langzeitprojekt so umfassend wie möglich dokumentiert haben. Links steht eine dominante Schwester mit ihrem subdominanten Bruder; ihre Mutter hat zu diesem Zeitpunkt den niedrigsten Rang im der Hyänenrudel. Beide sind etwas kleiner als die Zwillinge rechts neben ihnen, die vom ranghöchsten Weibchen der Gruppe abstammen. Die dominante Schwester (2.v.r.) ist hier leicht größer als ihr subdominanter Bruder. Beide Würfe sind gleich alt, aber die Jungen der hochrangigen Mütter haben mehr Milch pro Tag erhalten als die Jungen der niedrigrangigen Mütter – daher die Größenunterschiede. Beide hier gezeigten Weibchen blieben ihr Leben lang in ihrer Geburtsgruppe; beide Brüder wanderten in andere, nicht untersuchte Gruppen ab.

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung

Im Jahr 1992 gegründet, hat sich das Leibniz-IZW rasch zu einem international anerkannten Forschungsinstitut entwickelt. Es gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Erklärtes Ziel ist es, die Anpassungsfähigkeit von Wildtieren im Kontext des globalen Wandels zu verstehen und zum Erhalt von gesunden Wildtierbeständen beizutragen.

Am IZW arbeiten mehr als 200 Personen, darunter rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Forschungsprojekte zu einem großen Themenspektrum sind schwerpunktmäßig in Europa, Afrika und Südostasien angesiedelt. Das Spektrum reicht von Studien zu Wildtieren in der Stadt über die Gefährdung von Fledermäusen durch Windparks bis zur Fortpflanzung von Grottenolmen und der Erhaltung des Nördlichen Breitmaulnashorns.

Bürgerforschung wird am IZW großgeschrieben. Zuletzt lud das Institut Bürger in Berlin und Brandenburg ein, Eichhörnchen zu beobachten und ihre Ergebnisse für neue Forschungsprojekte zu dokumentieren.

Weitere Informationen: www.izw-berlin.de

blank

Eines der letzten Sumatra-Nashörner aus dem malaysischen Bundesstaat Sabah. Dort untersuchen IZW-Forscher seit 2009 die Gründe für den drastischen Rückgang dieser Art.

Weiterführende Links:

Berliner Zoologe ist neuer GDNÄ-Vizepräsident

Berliner Zoologe ist neuer GDNÄ-Vizepräsident

Mit dem international renommierten Wildtierforscher Heribert Hofer übernimmt ein engagierter Förderer junger Talente mehr Verantwortung in der traditionsreichen Wissenschaftsgesellschaft.

Die Mitgliederversammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) hat am 24. November Prof. Dr. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, zum neuen Vizepräsidenten bestimmt. Der renommierte Zoologe wird die ehrenamtliche Funktion mit Beginn des Jahres 2021 übernehmen. Als neugewählter Vizepräsident ist Hofer zugleich designierter Präsident der GDNÄ. Dieses Amt wird er im Jahr 2023 antreten.

Heribert Hofer (60) leitet das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin-Friedrichsfelde seit dem Jahr 2000. Bis 2017 war er zudem Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie an seinem Institut. Seit 2000 hat Hofer eine Professur für Interdisziplinäre Zoo und Wildtierforschung an der Freien Universität Berlin inne. Vor seiner Berliner Zeit war er von 1986 bis 1999 im Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayerischen Seewiesen tätig – zunächst als Postdoktorand, später als selbstständiger Wissenschaftler. 1997 habilitierte er sich an der Universität München mit einer Arbeit über das Verhalten von Tüpfelhyänen in der Serengeti-Savanne. Sein Studium der Zoologie begann Heribert Hofer an der Universität des Saarlandes und schloss es an der Universität Oxford mit der Promotion zum „DPhil“ ab.

Der GDNÄ ist der international bekannte Wissenschaftler seit Jahren eng verbunden. Heribert Hofer engagiert sich auf vielfältige Weise: als gewählter Fachvertreter und Gruppenvorsitzender für das Fach Biologie sowie mit Redebeiträgen auf Versammlungen, etwa 2016 in Greifswald und 2018 in Saarbrücken. Besonders am Herzen liegt ihm neben der Wissenschaftskommunikation mit der Öffentlichkeit auch die Förderung junger Talente im Rahmen des GDNÄ-Schülerprogramms.

Ein Interview mit Professor Hofer über seine Wildtier-Forschung in Afrika, sein Engagement für einen wissenschaftsbasierten Naturschutz und seine Zukunftspläne für die GDNÄ finden Sie hier.

Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies
Prof. Dr. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung

Weiterführende Links:

Coronakrise: Vertrauen in die Wissenschaft steigt

Coronakrise: Vertrauen in die Wissenschaft steigt

In der Corona-Pandemie sind Einschätzungen aus der Wissenschaft sehr gefragt. Repräsentative Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung den Aussagen in hohem Maße vertraut und sich noch mehr Informationen wünscht.

In der Coronakrise ist die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft deutlich gestiegen. Bei einer repräsentativen Umfrage für das Wissenschaftsbarometer 2020 gaben 66 Prozent der Befragten an, Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. Bei ähnlichen Befragungen der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ in den Jahren 2017 bis 2019 hatten nur rund 50 Prozent diese Einstellung vertreten.

Auch das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelte 2020 einen klaren Vertrauenszuwachs für die Forschung. Demnach verlassen sich 43 Prozent der Befragten bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darauf, dass sie die Wahrheit sagen. Im Jahr 2015 lag dieser Wert in der Allensbach-Umfrage nur bei 30 Prozent. Die Berufsgruppe der Forscher liegt damit in punkto Glaubwürdigkeit auf Rang drei. Nur die langjährigen Spitzenreiter, Ärzte und Richter, schneiden besser ab.

Für einen konstruktiven Dialog

Forscher werden nicht nur für ihre Beiträge zur Beratung von Politik und Bevölkerung geschätzt. Der Allensbach-Studie zufolge nimmt jeder zweite Deutsche (54 Prozent) die Naturwissenschaften auch als wichtigen Impulsgeber für die Zukunft wahr. Das Ansehen von Parteien und Politikern als gestaltende Kräfte ist demnach von 25 auf 31 Prozent gestiegen. Zurückgegangen ist hingegen der wahrgenommene Einfluss von Journalisten (von 26 auf 19 Prozent) und von Bürgerbewegungen (von 42 auf 29 Prozent).

„Die Zahlen zeigen, dass der Großteil der Bevölkerung gerade in kritischen Zeiten der Wissenschaft vertraut“, sagt Martin Lohse, Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ). Die Wissenschaft dürfe dieses Vertrauen jedoch nicht als selbstverständlich betrachten. Die GDNÄ sehe sich daher in der Verantwortung, den konstruktiven Dialog zwischen Forschung und Gesellschaft zu fördern, ergänzt Lohse.

Bei der Vermittlung von Wissenschaft besteht großer Nachholbedarf. Das belegen andere repräsentative Umfragen, wie zum Beispiel das Technikradar 2020. In dieser Erhebung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und der Körber-Stiftung zeigen sich lediglich 15 Prozent der rund zweitausend Befragten zufrieden mit der Art und Weise, wie die Politik über Technikfolgen informiert. Immerhin 70 Prozent fordern eine stärkere Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Einführung neuer Techniken.

Kritik an fossilen Rohstoffen

Im Fokus des Technikradars 2020 steht das Thema Bioökonomie. Der Begriff bezieht sich auf neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, die zu einem nachhaltigeren und zukunftsfähigen Wirtschaftssystem beitragen. „Herkömmliche Lösungen für Energieerzeugung, Mobilität und industrielle Produktion, die auf fossilen Rohstoffen basieren, geraten in der Bevölkerung zunehmend unter Rechtfertigungsdruck“, heißt es im Technikradar-Bericht. So sprechen sich beispielsweise mehr als Hälfte der Deutschen in der Befragung dafür aus, dass die Politik Maßnahmen für den Klimaschutz durchsetzt, auch wenn die Wirtschaft darunter leidet.

Die Bewertung einzelner Themenfelder der Bioökonomie fällt unterschiedlich aus. 88 Prozent der Befragten befürworten den Ersatz von Kunststoffen durch Bioprodukte. Dreiviertel findet Gentherapien bei Erwachsenen gut. 60 Prozent plädieren für mehr Forschungsförderung zur Entwicklung von Bio-Sprit. Aber nur jeder Vierte kann sich mit dem Verzehr von Fleisch aus dem Labor anfreunden. Noch geringer fällt die Zustimmung für gentechnisch veränderte Pflanzen aus.

Viele dieser Entwicklungen bergen großes Potenzial in einer Welt, die vor drängenden Fragen steht: Wie bewältigen wir globale Krisen? Wie bleiben wir gesund? Wie werden wir wohnen, uns fortbewegen und miteinander kommunizieren? „Diese Fragen können nicht allein von Klimaforschern, Medizinern, Sozial- und Naturwissenschaftlern beantwortet werden“, sagt Martin Lohse.  „Auch deshalb werden Plattformen wie die GDNÄ für einen vernunftgeleiteten und interdisziplinären Dialog der Wissenschaft mit der Gesellschaft und für den Austausch zwischen Jung und Alt immer wichtiger.“

Technik wird positiv gesehen

Die Vorrausetzungen für einen Dialog scheinen gut zu sein. So berichtet der Technikradar 2020 von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung für Wissenschaft und technischen Fortschritt. 48,7 Prozent der Befragten glauben, dass die technische Entwicklung nachfolgenden Generationen eine höhere Lebensqualität bescheren wird. Nur 16 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu.

Die allgemeine Technikfreundlichkeit ist bei 52 Prozent der Befragten stark oder sehr stark ausgeprägt und nur bei elf Prozent gering oder sehr gering. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Befragten in Ost- oder in Westdeutschland, in einer Großstadt oder auf dem Land leben, heißt es in der Auswertung. Männer seien im Durchschnitt noch immer technikaffiner als Frauen. Und je höher der Schulabschluss sei, desto stärker sei auch das Interesse an Technik.

Was das Technikradar auch zeigt: Ein besseres Verständnis von wissenschaftlichen Ergebnissen erhöht nicht notwendigerweise die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern. Zwar tragen die Aussagen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Corona-Pandemie entscheidend dazu bei, dass Einschränkungen des täglichen Lebens weithin akzeptiert werden. Für den Umwelt- und Klimaschutz gilt das aber nicht. Finanzielle Mehrbelastungen für sich selbst lehnen die meisten Befragten ab und staatlichen Zwang zum umweltgerechten Handeln befürwortet nur ein Drittel.

blank

Abbildung aus dem „Wissenschaftsbarometer 2020“

blank

Titelblatt des Technikradars 2020, einer repräsentativen Befragung zur Einstellung gegenüber Wissenschaft und Technik

Weitere Informationen:

Hoffentlich kommen bald Lockerungen

„Hoffentlich kommen bald Lockerungen“

Eda Siakir Oglou macht ihr Abitur im Corona-Jahrgang 2020. Was das bedeutet und wie ihre Schule im hessischen Schwalbach am Taunus darauf vorbereitet ist, schildert die 18-Jährige im Interview.

Frau Siakir Oglou, Sie haben gerade Ihr Abitur geschrieben – mitten in der Coronakrise. Fühlten Sie sich dadurch beeinträchtigt?
Eigentlich nicht. Wir hatten in den Monaten vorher schon vieles von dem, was im Abitur-Erlass Hessen steht, im Unterricht behandelt. Zusätzlich hatte ich die Original-Prüfungsaufgaben mit Lösungen aus dem letzten Abi-Jahrgang durchgearbeitet – vor allem in meinen Leistungskursen Biologie und Kunst. Ich fühlte mich gut vorbereitet und tatsächlich lief dann in der Prüfung auch alles glatt.

Das klingt, als hätten Sie den Unterricht auf der Endstrecke nicht allzu sehr vermisst.
Ja, so könnte man sagen. Ich arbeite gern eigenständig und kann mir den Stoff über Bücher und per Internet gut selbst erschließen. In der Vorbereitungszeit war jeder Tag durchgeplant mit Abi-Vorbereitung bis mittags und einer Freizeitaktivität am Nachmittag. Insgesamt hatte ich mehr Zeit für mich als vorher, weil durch die Schulschließung zwei Stunden Busfahrt wegfielen. Mein Alltag war weniger stressig – ich habe die Zeit ziemlich genossen.

Gab es Kontakt zu den Lehrern?
Ja, einige Lehrer haben uns Aufgaben oder Tipps fürs Lernen geschickt. Das lief meistens per E-Mail. In die Schul-Cloud, die es seit gut einem halben Jahr gibt, wurde kaum etwas eingestellt. Das geht erst jetzt ganz langsam los.

In den Medien wird derzeit die mangelnde Digitalisierung deutscher Schulen beklagt. Zu Recht?
Ich kann das nur für meine Schule sagen und da trifft die Kritik teilweise zu. Immerhin gibt es bei uns Computerräume, in denen wir gelegentlich in Gruppen arbeiten. Wir haben Beamer, um Powerpoint-Präsentationen anzuschauen oder auch mal einen Schulfilm in Biologie.  Einige Lehrer benutzen noch Overheadprojektoren im Unterricht. Arbeitsblätter werden massenhaft ausgedruckt und kopiert – da könnte man durch den Einsatz digitaler Medien sehr viel Papier sparen. Toll fände ich es, wenn der Lernstoff in der Schul-Cloud stehen würde. Das wäre für alle viel transparenter und zuverlässiger als jetzt mit E-Mails – da weiß man nie, ob sie auch wirklich angekommen sind.

Wie halten Sie in diesen Wochen Kontakt zu Ihren Freunden?
Vor allem über WhatsApp. Am Anfang der Coronakrise haben wir uns noch persönlich getroffen, später fiel das dann weg. Ich vermisse meine Freunde sehr, den Austausch in den Pausen, den direkten Kontakt – das können soziale Medien nicht ersetzen. Deshalb hoffe ich, dass wir uns bald Lockerungen erlauben können.

Ihre Schulzeit ist in wenigen Wochen vorbei. Gibt es schon Pläne für danach?
Ja, klar. Am liebsten würde ich Biomedizin an einer deutschen Universität studieren. Für den Fall, dass das nicht klappt, habe mich um ein Studienstipendium im Fach Biologie in der Türkei beworben.

Sie sind der GDNÄ seit 2018 verbunden – als Teilnehmerin des Schülerprogramms in Saarbrücken. Es ging um die Digitalisierung der Wissenschaften. Können Sie sich noch an Details erinnern?
Und ob. Ich erinnere mich an anspruchsvolle, faszinierende Vorträge und dass ich, wenn es um Biologie ging, sehr gut mitkam – dank der tollen Vorbereitung im Leistungskurs. Unvergesslich ist der Auftritt von Nobelpreisträger Klaus von Klitzing. Die Labortouren haben mir besonders gut gefallen, aber auch das Format „Wissenschaft in fünf Minuten“, weil Schüler da selbst etwas gestalten können. Und natürlich das Kulturprogramm mit Ballett und Konzert – uns wurde viel geboten und ich fühlte mich sehr geehrt.

Können Sie sich vorstellen, die Verbindung aufrechtzuerhalten?
Ja, auf jeden Fall. Ich würde die Versammlungen sehr gern weiterhin besuchen. Und wer weiß, vielleicht ergeben sich ja noch ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Eda Siakir Oglou © Privat

Noch Schülerin, bald Studierende: Eda Siakir Oglou macht gerade Abitur an der Albert-Einstein-Schule in Schwalbach am Taunus.