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  • Heribert Hofer: „Wir empfangen die jungen Leute mit offenen Armen“

    „Wir empfangen die jungen Leute mit offenen Armen“

    Was wurde erreicht, was steht an? Nach zwei Jahren als GDNÄ-Präsident blickt Heribert Hofer zurück – und voraus auf spannende Zeiten mit der Jungen GDNÄ. 

    Herr Professor Hofer, Ihre Amtszeit als Präsident der GDNÄ neigt sich dem Ende zu. Wie blicken Sie zurück?
    Mit einem guten Gefühl. Die Scheu, die ich zu Beginn angesichts der großartigen Geschichte der GDNÄ empfand, ist überwunden. Dazu beigetragen hat die positive Resonanz bei der Versammlung in Potsdam, deren wissenschaftliches Programm in meiner Amtszeit erarbeitet wurde. Heute bin ich mehr denn je überzeugt, dass die GDNÄ mit ihren Anliegen richtig liegt und eine Lücke im Wissenschaftssystem füllt. Denken wir nur an die einzigartige Verknüpfung des persönlichen, fachübergreifenden Austausches, wie wir ihn auf unseren Versammlungen pflegen, oder an die Programme zur Förderung junger Talente. 

    Sie engagieren sich seit vielen Jahren im Schülerprogramm der GDNA und haben das beliebte Science-Slam-Format „Wissenschaft in 5 Minuten“ auf die Beine gestellt. Empfinden Sie die Gründung der Jungen GDNÄ vor wenigen Wochen in Potsdam als Krönung Ihrer Amtszeit?
    Krönung ist vielleicht eine Nummer zu groß, ich würde eher von einem Highlight  sprechen. Mit der Jungen GDNÄ räumen wir den jungen Leuten deutlich mehr Mitsprache und Gestaltungschancen in unserer Gesellschaft ein. Erkennbar war das in Potsdam zum Beispiel bei den vielen Podiumsgesprächen, in denen junge Leute mit etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Augenhöhe diskutierten. Das Format fand so großen Anklang beim Publikum, dass wir es in Zukunft beibehalten wollen.

    Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). © IQOQI/M.R.Knabl

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Mittendrin: Professor Heribert Hofer bei der GDNÄ-Versammlung 2024 in Potsdam.

    Bisher gab es das Schülerprogramm, jetzt ist fast immer die Rede von der Jungen GDNÄ. Wie hängt beides zusammen? 
    Das frühere Schülerprogramm geht in der Jungen GDNÄ auf. In ihr sind nicht nur Schülerinnen und Schüler der Oberstufe vertreten, sondern auch Studierende und Berufsanfänger. Das Altersspektrum ist also wesentlich größer als beim Schülerprogramm und reicht von 17 Jahren bis etwa 32 Jahre. Die Junge GDNÄ, das sind  junge Leute mit sehr guten Leistungen in den naturwissenschaftlichen Fächern und in der Medizin und mit Interesse am tatkräftigen Einsatz in der GDNÄ.

    Wie reagieren die Nachwuchstalente auf das Angebot?  
    Die freuen sich unglaublich über das Interesse gestandener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an ihnen. Viele von ihnen kommen nämlich mit der Vorstellung auf unsere Versammlungen, dass die Älteren sich nicht für sie interessieren – eine Erkenntnis, die mich in den letzten Jahren immer wieder erstaunt hat.  Mit der Jungen GDNÄ empfangen wir die jungen Leute mit offenen Armen und das finden die toll. Es gibt auch schon eine Menge Anregungen und Wünsche. Deutlich wurde das kürzlich bei einer Strategiesitzung, an der neben dem GDNÄ-Vorstand auch drei gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Jungen GDNÄ teilnahmen. 

    Was wünschen sich junge Frauen und Männer von der GDNÄ? 
    Zum Beispiel interessante Angebote zwischen den Versammlungen, Gelegenheiten zum persönlichen Austausch auf lokaler Ebene und mit etablierten GDNÄ-Mitgliedern. 

    Was folgt jetzt daraus? 
    Fest eingeplant ist eine Zusammenkunft der Jungen GDNÄ im kommenden Jahr, in dem ja keine große GDNÄ-Versammlung stattfindet. Das Treffen dient der inneren Vernetzung und Strategiediskussion. Wir wollen auch Ortsgruppen aufbauen, in denen GDNÄ-Mitglieder aller Altersstufen zusammenkommen, um zu diskutieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Ein Anfang wurde bereits 2018 durch den damaligen Präsidenten Wolfgang Wahlster gemacht, aber in den Pandemiejahren ist die Initiative verständlicherweise eingeschlafen. Denkbar sind darüber hinaus interessante Veranstaltungen, zum Beispiel Führungen in Instituten oder Firmen. Wahrscheinlich werden wir in ein paar Universitätsstädten anfangen und unser Ortsgruppennetz Schritt für Schritt erweitern. Erste Gruppen gibt es voraussichtlich in einem halben Jahr.  

    AleutBio-Team © 2022, Thomas Walter, Expedition SO293 AleutBio

    © MIKA-fotografie | Berlin

    „Wissen teilen heißt Wissen multiplizieren“ steht es auf dem T-Shirt, mit dem GDNÄ-Präsident Heribert Hofer zum Abschluss der 133. Versammlung in Potsdam von Generalsekretär Michael Dröscher bedacht wurde.

    Sie skizzieren ein intergenerationelles Projekt. Werden die älteren GDNÄ-Mitglieder mitspielen?
    Ich bin da ganz zuversichtlich. Die Beiträge der Jungen GDNÄ kommen bei den Versammlungen sehr gut an, sowohl bei den Vortragenden als auch beim Publikum. Und in vielen Gesprächen mit etablierten Mitgliedern habe ich eine große Bereitschaft gespürt, sich für die Förderung des Nachwuchses zu engagieren. 

    Das Vorhaben erfordert viel Koordination: Wer hält in der GDNÄ die Fäden zusammen?
    Als künftiger Vizepräsident werde ich diese Aufgabe für zwei Jahre übernehmen. Darauf haben wir uns im Vorstand geeinigt. Es wird viel Arbeit sein, aber ich freue mich darauf. 

    Sie haben demnächst vielleicht auch mehr Zeit für solche Projekte.
    Richtig. Ende März 2025 erreiche ich das Pensionsalter und damit endet meine Amtszeit als Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung. Auch die reguläre Professur für dieses Fachgebiet an der Freien Universität Berlin läuft dann aus. Ich werde zwar weiterhin als Seniorprofessor an meiner Universität tätig sein, aber die Arbeitsbelastung wird deutlich sinken. Das gibt mir Zeit für die GDNÄ. 

    Und was wird aus Ihrer spektakulären Hyänenforschung in der Serengeti?
    Damit mache ich auf jeden Fall weiter. Nicht unbedingt vor Ort in Tansania, das machen jetzt andere, insbesondere Sarah Benhaiem, an die ich das Projekt übergeben habe. Aber in den 37 Jahren meiner Hyänenforschung sind große Datenmengen entstanden, die auf ihre Auswertung und Publikation warten. Das wird mich locker fünf Jahre beschäftigen.

    Mit Medaille und Urkunde in der Bielefelder Stadthalle © David Ausserhofer

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Der Berliner Zoologe Prof. Dr. Heribert Hofer, GDNÄ-Präsident von 2023 bis 2024 und 1. Vizepräsident ab Anfang 2025.

    Zur Person

    Professor Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, wurde von der GDNÄ-Mitgliederversammlung für die Jahre 2023 und 2024 in das Präsidentenamt gewählt und war somit zuständig für die wissenschaftliche Gestaltung der 133. Versammlung im Jahr 2024 in Potsdam.

    Der renommierte Zoologe (64) leitet das Leibniz-IZW in Berlin-Friedrichsfelde seit dem Jahr 2000 und ist seither auch Professor für Interdisziplinäre Wildtierforschung an der Freien Universität Berlin. Vor seiner Berliner Zeit forschte er von 1986 bis 1999 am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayerischen Seewiesen, zunächst als Postdoktorand, später als selbstständiger Wissenschaftler. 1997 habilitierte er sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über das Verhalten von Tüpfelhyänen in der Serengeti-Savanne. Sein Studium der Zoologie begann Heribert Hofer an der Universität des Saarlandes und schloss es an der Universität Oxford mit der Promotion zum „DPhil“ ab.

    Der GDNÄ ist der international bekannte Wissenschaftler seit vielen Jahren eng verbunden. Er engagierte sich als gewählter Fachvertreter und Gruppenvorsitzender für das Fach Biologie, mit Redebeiträgen auf Versammlungen, als Vizepräsident bei der Vorbereitung der 200-Jahr-Feier in Leipzig, und seit Anfang 2023 als Präsident der GDNÄ. Am 1. Januar 2025 wechselt Professor Hofer für zwei Jahre in das Amt des 1. Vizepräsidenten der Naturforschergesellschaft.

    Weitere Informationen:

    Zur Jungen GDNÄ: „Lebhafte Diskussionen vor großem Publikum“

    „Lebhafte Diskussionen vor großem Publikum“

    Von Professor Michael Dröscher, Schatzmeister und Generalsekretär der GDNÄ

    Das Programm für Schülerinnen und Schüler ist zu einem der Markenzeichen der GDNÄ geworden – neben der wissenschaftlichen Exzellenz der Vorträge und dem interdisziplinären Austausch. Viele der jungen Menschen, die in den vergangenen Jahren am Programm teilgenommen haben, sind Mitglied bei der GDNÄ geblieben und kommen weiter zu den Versammlungen. Wir wollen möglichst viele von ihnen an die GDNÄ binden und haben deshalb die Junge GDNÄ gegründet.

    Dank der großzügigen Zusagen der Heraeus-Stiftung, der AKB-Stiftung, der Stiftung Familienunternehmen und der Bayer Foundation, wesentliche Beiträge der Kosten für die jungen Teilnehmenden zu tragen, konnten wir das Schülerprogramm weitgehend aus den Zuwendungen finanzieren. Insgesamt nahmen 138 junge Leute teil, davon 98 Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Preisträgerinnen und Preisträger von Jugend forscht sowie 40 Studierende, wovon einige ehemalige Teilnehmende des Programms in Greifswald, Saarbrücken und Leipzig waren. Die meisten Schülerinnen und Schüler kamen aus Potsdam, Berlin und der näheren Brandenburger Umgebung. Aus Bielefeld, wo der Leiter unseres Schülerprogramms, Studienrat Paul Mühlenhoff, im gymnasialen Schuldienst tätig ist, reisten 27 Jugendliche an.

    Es wurden rund 260 Schulen mit gymnasialer Oberstufe angeschrieben und um Nominierungen gebeten. Pro Schule konnten bis zu vier Kandidatinnen und Kandidaten benannt werden. Leider war auch in diesem Jahr der Aufwand, die Schulleitungen zur Teilnahme am Programm zu bewegen, ausgesprochen groß.

    Die Gesamtzahl der Teilnehmenden war begrenzt durch die Zahl der Betten in der Jugendherberge. Es konnten zunächst auch alle Plätze gefüllt werden. Leider mussten einige der Schülerinnen, Schüler und Ehemalige ihre Teilnahme kurzfristig absagen, so dass am Ende insgesamt 138 Teilnehmende dabei waren.

    Alle Teilnehmenden erhielten eine Vier-Tages-Karte für den Nahverkehr in Potsdam

    Die Gesamtleitung des Schülerprogramms übernahm, wie schon bei den letzten Versammlungen, Studienrat Paul Mühlenhoff. Als Mentoren begleiteten Professor Heribert Hofer, Professorin Eva-Maria Neher, Professor Uwe Hartmann, Professor Peter Liggesmeyer, Professor Wolfgang Lubitz und Professor Michael Dröscher, unterstützt durch fünf Tutorinnen und Tutoren, die Teams. Die Last der Organisation trugen die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle, Sylvia Landeck und Katja Diete.

    © Dima-Juschkow

    Die Junge GDNÄ auf der Versammlung 2024 in Potsdam, zusammen mit Nobelpreisträger Professor Ben Feringa (vordere Reihe, Mitte).

    Workshops

    Im Unterschied zum Ablauf in Leipzig hatten wir dieses Mal die Workshops auf den Samstag vor der Versammlung gelegt, um einen engeren Bezug zu den Vorträgen zu schaffen. Im Hotel Mercure Potsdam trafen sich am 7. September von 11.00 bis 17.00 Uhr 86 Teilnehmende in den sechs Fachteams Chemie, Biologie, Physik, Informatik, Technikwissenschaften und Medizin, um sich auf das Tagungsthema „Wissenschaft für unser Leben von morgen“ vorzubereiten. Aufgabe war es, die Arbeitsgebiete der Vortragenden zu erkunden, sich in die Vortragsthemen einzuarbeiten und Fragen zu entwickeln, die nach jeder Session in einer Podiumsdiskussion mit den Vortragenden und moderiert von den Session-Leitern diskutiert wurden. Am Donnerstagnachmittag, also noch vor Beginn der Versammlung, wurden diejenigen, die am Vorworkshop nicht hatten teilnehmen können, auf die Teams verteilt. Die Teams wählten jeweils drei bis fünf Vertreterinnen und Vertreter für die einzelnen Fachpodien aus.

    Nach Abschluss der Vorbereitungen trafen sich die Teams mit den Mitgliedern des Vorstandes und des Vorstandsrats zum Meet-the-Prof-Austausch bei Snacks und Getränken im Foyer.

    Auch dieses Jahr vernetzten sich die Teilnehmenden in einer WhatsApp-Gruppe, was die Kommunikation untereinander und mit der Leitung sehr erleichterte.

    Science Slam zum Auftakt der Versammlung

    Am Vorabend der offiziellen Tagungseröffnung fand erneut der beliebte Science Slam „Wissenschaft in 5 Minuten“ statt – auch diesmal moderiert von Professor Heribert Hofer und in Anwesenheit von rund 80 Prozent der Versammlungsteilnehmer. Die acht Beiträge wurden mit Beifallsstürmen bedacht. Den stärksten Beifall und damit den ersten Platz erhielt die 18-jährige Anne Marie Bobes. Sie berichtete über die Entwicklung kleiner Rotoren für Straßenlaternen. Die Rotoren können durch Windkraft ausreichend Strom zum Betrieb der Laternen erzeugen.

    Die Titel der übrigen Kurzvorträge lauteten: „Alzheimer erkennen durch KI“, „Kranke Systeme auf der Suche nach einer fairen Gesundheitsversorgung“, „Polyme(e)re – ein Planet voller Plastik“, „Sehen ohne Verstehen – wie KI Bilder interpretiert“, „Kann man Fleisch im Labor herstellen“, „Epoxidharz“, „Ethanol-Gewinnung aus stärkereichen Abfällen“.

    Nach der Siegerehrung wurde Dr. Stefanie Kaiser per Video zugeschaltet. Die Biologin faszinierte das Auditorium mit ihrem Bericht über die Tiefsee-Expedition AleutBio in den Nordostpazifik und ging danach ausführlich auf die vielen Fragen aus dem Publikum ein.

    Wissenschaft für unser Leben von morgen

    In der Eröffnungssitzung am Freitagmorgen begrüßte Präsident Heribert Hofer die Teilnehmenden, insbesondere die Schülerinnen, Schüler und Studierenden. Er stellte die Junge GDNÄ vor und rief deren Gründung aus. Nach der Ansprache des örtlichen Geschäftsführers, Professor Alexander Böker, und den Grußworten aus dem Land Brandenburg, der Stadt Potsdam und für die Universität erhielt Professorin Eva-Maria Neher die Alexander-von-Humboldt-Medaille für ihre Verdienste um die Entwicklung der GDNÄ.

    Nach der Eröffnungssitzung begann das Vortragsprogramm. In der Informatik-Session ging es um die Entwicklung softwareintensiver, cyberphysischer Systeme und große generative Sprachmodelle. Anschließend fand die erste Podiumssitzung mit der Jungen GDNÄ in lebhafter Atmosphäre statt.

    Auch nach der Technik-Session entwickelte sich ein intensives Gespräch mit Vertretern der Jungen GDNÄ über menschenzentrierte KI für medizinische Assistenzsysteme und eine nachhaltige Transformation der Industrie.

    Ein neuer Programmpunkt war das Doktoranden- und Alumni-Café in der Mittagspause.

    Höhepunkt des Tages war der öffentliche Nobelvortrag. Mit seiner Einführung in die Kunst klein zu bauen, begeisterte der Chemie-Nobelpreisträger Professor Ben Feringa Jung und Alt.

    Der Samstag wurde die Chemie-Session eröffnet. Nanokapseln als Wirkstoffträger und künstliche Organellen waren ebenso Thema wie der „Oscar für den besten Nebendarsteller: Wasser“ und „Fire and Ice“ – ein Vortrag, in dem Wasserstoff und Kohlendioxid als molekulare Nahtstellen zwischen Energie und Chemie beschrieben wurden. Auch hier entwickelte sich eine intensive Diskussion auf dem Podium.

    Der Nachmittag war der Biologie gewidmet. Es ging um Mykorrhiza-Pilze, die mit Pflanzen zusammenarbeiten, und den Beitrag des Klimawandels zum Biodiversitätsverlust, insbesondere bei Vögeln. Über die Frage, ob die Genschere CRISPR/Cas Teufelszeug oder ein Heilsbringer für die Landwirtschaft ist, wurde auf dem Podium engagiert diskutiert.

    Großen Eindruck, gerade auch auf die jungen Teilnehmer, machte der Leopoldina-Vortrag zum Thema „Placebo oder Therapie mit nichts“. Gehalten wurde er von Professor Martin Lohse, GDNÄ-Präsident 2019 bis 2022, der nach kurzfristiger Absage des ursprünglich angesetzten Vortrags eingesprungen war.

    Am Sonntagmorgen stand die Physik auf dem Programm. Es ging zum Beispiel darum, wie sich Tiere im Magnetfeld der Erde orientieren und wo die Entwicklung von Quantencomputern steht. An Stoff für eine angeregte Diskussion auf dem Podium mangelte es auch hier nicht.

    Den Schlusspunkt setzte die Medizin. In drei spannenden Vorträgen ging es um den Einsatz von KI für ein besseres Verständnis von Erkrankungen, um gesundes Altern und die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Infektionskrankheiten. Auch hier war die Junge GDNÄ gut auf die Podiumsdiskussion vorbereitet, die ein großes Publikum bis zuletzt verfolgte.

    Nach den Abschluss- und Dankesworten des Präsidenten erhielten die Schülerinnen und Schüler ihre Teilnahmeurkunden und wurden herzlich verabschiedet.

    Weitere Aktivitäten im Rahmen des Schülerprogramms

    Teilnahme am Vortragsprogramm

    Ob morgens um neun Uhr oder abends beim Nobel- oder Leopoldina-Vortrag: Die jungen Teilnehmenden waren zu jeder Zeit im Hörsaal und hörten den Vorträgen gespannt zu. Nach den Vorträgen umringten sie die Vortragenden oft noch lange, um ihre Fragen zu stellen.

    Studienberatung

    Sehr gut angenommen wurde erneut das Studienberatungsangebot mit erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Fachgebieten der GDNÄ.

    Museumsbesuch

    Die Schüler, Schülerinnen und Ehemaligen hatten am Abend des 14. September Gelegenheit, das Barberini-Museum in Potsdam zu besuchen.

    Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies

    © MIKA-fotografie | Berlin.

    Professor Michael Dröscher und Mitglieder der Jungen GDNÄ im Potsdamer Tagungsgebäude.
    Feedback aus der Jungen GDNÄ

    Die folgenden Zitate stammen aus einem Kurzfilm über die Tagung 2024 in Potsdam.

    „Es ist schon mal cool, dabei zu sein. Man hat viel Diskurs mit anderen Menschen und viele interessante Vorträge zu Themen, die vielleicht im Unterricht zu kurz kommen, weil man in den zwei Jahren Chemieleistungskurs doch nicht die Zeit hat, spezifisch auf Themen einzugehen.“

    Johanna Schattenmann, Falkensee

    „Am meisten hat mir hier gefallen, dass ich so viel Begeisterung von so vielen Leuten sehen kann und auch den Austausch der älteren Generation mit den jungen Leuten auf Augenhöhe mitbekomme, obwohl die ältere Generation schon viel mehr weiß als wir und wir können Fragen stellen.“

    Melissa Linde, Fürstenwalde

    „Gestern haben wir die 5-Minuten-Wissenschaftsvorträge gesehen. Ich habe viel Respekt davor, dass man das in fünf Minuten schafft. Das hat mir sehr gefallen, da habe ich alles verstanden.“

    Thiveeka Pooranachandran, Bielefeld

    „Ich freue mich auf die Vorträge, die eigentlich zugänglich für alle sein sollten. Menschen, die sich für die Informatik und Physik interessieren, sollen auch andere Bereiche sehen.“

    Wladimir Poljakow, Bielefeld

    Weitere Informationen zur GDNÄ-Versammlung 2024

    Professor Dietrich von Engelhardt: „Auch als Naturforscher machte Goethe großen Eindruck“

    „Auch als Naturforscher machte Goethe großen Eindruck“

    Dietrich von Engelhardt, Wissenschaftshistoriker und Mitglied der GDNÄ, dokumentiert in seinem neuen Buch den internationalen Widerhall auf Johann Wolfgang von Goethes naturwissenschaftliche Schriften im 19. Jahrhundert – und füllt damit eine Forschungslücke.

    Herr Professor von Engelhardt, vor Kurzem ist Ihr Buch „Goethe als Naturforscher im Urteil der Naturwissenschaft und Medizin des 19. Jahrhunderts“ erschienen. Sie sind der Herausgeber des 670 Seiten starken Werks. Was hat Sie zu dieser Arbeit veranlasst?
    Mit Goethe und seinen Beziehungen zu den Naturwissenschaften und der Medizin um 1800 beschäftige ich mich seit Jahrzehnten. Dabei fiel mir auf, dass in der Forschung die deutsche und internationale Rezeption von Goethe als Naturforscher in den Naturwissenschaften und der Medizin des 19. Jahrhunderts bis auf wenige Ausnahmen nicht behandelt wurde. Das war für mich jetzt der Anlass, das Echo der Fachwelt mit ausgewählten, teils an entlegenen Orten gefundenen Texten zu dokumentieren. Die 670 Seiten sind der Fülle bemerkenswerter Aufsätze geschuldet.

    Für welche Zielgruppe ist der Band gedacht?
    Das Werk richtet sich an Goethe-Forscher, Wissenschafts- und Medizinhistoriker und alle Menschen, die sich für Goethes Beiträge zu den Naturwissenschaften und der Medizin interessieren.

    Nach welchen Kriterien haben Sie die Beiträge ausgewählt?
    Die 48 Aufsätze von Wissenschaftlern, von denen viele Mitglieder der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte waren, sollen einen international repräsentativen Eindruck der Rezeption in den Naturwissenschaften und der Medizin des 19. Jahrhunderts geben. Auf umfangreiche monografische Darstellungen, die ich in der ausführlichen Einleitung erwähne und die in der Gesamtbibliografie von 240 Texten angeführt werden, musste ich aus Platzgründen verzichten.

    Der Band enthält Texte auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Niederländisch. Warum haben Sie sich für die Originalsprache entschieden?
    Es geht mir um einen authentischen Eindruck in Sprachen, die auch Goethe verstanden hat. Außerdem können auf diese Weise ausländische Zitate unmittelbar aus den Texten angeführt und bibliographisch belegt werden. Wer Übersetzungen wünscht, kann dies heute problemlos mit entsprechenden Programmen tun.

    © SUB Göttingen Cod. Ms. Lichtenberg VI, 44.

    Seine Farbenlehre, symbolisiert im Farbenkreis, verstand Goethe als sein wichtigstes Werk.

    Welche Texte würden Sie dem eiligen Leser ans Herz legen?
    Für eilige Leser empfehle ich vor allem die Beiträge von Carl Gustav Carus (zuerst erschienen 1843), Hermann von Helmholtz (1853), Rudolf Virchow (1861), Emil Du Bois-Reymond (1882) und Ernst Haeckel (1882) – alle waren sie Mitglieder der GDNÄ. Unter den ausländischen Texten verdienen die Ausführungen von Ernest Faivre (1859), François-Louis Hahn (1883), François-Jules Pictet (1838) und John Tyndall (1880) besondere Beachtung. Sehr eindrucksvoll ist auch das Kapitel über den englischen Biologen Thomas Henry Huxley – ihm wurde auf der Versammlung von 1877 in München die Ehrenmitgliedschaft der GDNÄ verliehen. Huxley hat die 1869 erschienene erste Ausgabe des heute international maßgeblichen Wissenschaftsmagazins Nature mit Aphorismen zur Natur von Goethe eröffnet (siehe Randspalte).

    Zwischenkieferknochen, Farbenlehre, Urpflanze: Der Naturforscher Goethe hat sich mit beeindruckend vielen wissenschaftlichen Themen beschäftigt. Wie kam es dazu?
    Lebenslang waren für Goethe die anorganische und organische Natur, ihre Phänomene, Prozesse und Entwicklungen von großem Interesse. „Erfahrung, Betrachtung, Folgerungen – durch Lebensereignisse verbunden“ – so beschrieb er seine Methode in der Naturforschung. Farben sind für Goethe nicht nur mathematische und physikalische Phänomene, für ihn besitzen sie gleichermaßen ethische, psychologische und kulturhistorische Bedeutungen. Das Phänomen der Metamorphose gilt für die Pflanze und das Tier: „Die Lehre der Metamorphose ist der Schlüssel zu allen Zeichen der Natur“, heißt es in einem nachgelassenen Text namens Morphologie. Goethe veröffentlichte auch zahlreiche wissenschaftstheoretische Schriften, darunter Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt oder Erfinden und Entdecken oder Analyse und Entdecken. Die naturwissenschaftlichen Schriften Goethes umfassen in der wissenschaftlich-kritischen Ausgabe der Leopoldina elf Bände.

    Goethe war Dichter und Naturforscher: Wirkte sich das eine auf das andere aus?
    Bei allen Unterschieden, an die Goethe wiederholt erinnert, war ihm die Verbindung der zwei, oder besser, der vier Kulturen überaus wichtig. Gemeint sind die Kulturen der Naturwissenschaften, der Geisteswissenschaften, der Künste und des Lebens. Diese Verbindung zeigt sich sowohl in Goethes wissenschaftlichen als auch in seinen literarischen Texten wie ebenfalls in seinen autobiographischen Schriften Dichtung und Wahrheit oder in der Italienischen Reise. Ein literarisches Beispiel ist der Roman Die Wahlverwandtschaften, der in Titel und Inhalt mit der zeitgenössischen Chemie korrespondiert und die Beziehungen der Elemente in Analogie zu den Beziehungen der Menschen interpretiert. Allerdings weist Goethe ausdrücklich auf die Freiheit und Verantwortung des Menschen hin, sinnlichen Anziehungen auch widerstehen zu können. In der Farbenlehre entwickelte Goethe zahlreiche Ideen zu Theorie und Praxis der Farben in der Malerei. Und das Gesetz der Urpflanze, so erkennt Goethe in Italien, wird sich auf „alles Lebendige anwenden lassen“.

    © Frithjof Spangenberg, Illustrationen & Kommunikationsdesign

    Die Illustration zeigt einen Schafsschädel mit deutlich sichtbarem Zwischenkieferknochen (os intermaxilliare, rechts vorne). Um dieses Thema entbrannte ein heftiger Streit zwischen Goethe und dem GDNÄ-Gründer Lorenz Oken.

    Inwiefern war Goethe als Naturforscher ein Kind seiner Zeit?
    Goethe kannte sich in den Naturwissenschaften und der Medizin seiner Zeit bestens aus. Er wurde vom Stand der Wissenschaften beeinflusst, pflegte Verbindungen zu vielen Naturforschern und Medizinern der Zeit, beachtete aber auch die historische Entwicklung der Wissenschaften und einzelne Forscher der Vergangenheit. Die Farbenlehre ist ein besonderes Beispiel: Ihr widmete Goethe ein ganzes Buch, das ihre Geschichte von der Antike bis in die Gegenwart beschreibt.

    Wie reagierten Goethes Zeitgenossen auf seine Arbeiten?
    Das Spektrum der Reaktionen war, wie im vorliegenden Werk deutlich wird, unter Naturwissenschaftlern und Medizinern seiner Zeit und bis in die Gegenwart hinein vielfältig und unterschied sich nach naturwissenschaftlichen Disziplinen. Ausgesprochen kritisch fielen die Reaktionen in der Physik aus. Zustimmung gab es mehrfach in der Geologie, Botanik und Anatomie. Nach Ansicht von Nees von Esenbeck, Mitglied der GDNÄ und von 1818 bis 1838 Präsident der Leopoldina, hat Goethe zum ersten Mal die Pflanzenwelt nach „wissenschaftlichen Prinzipien“ geordnet und philosophisch eingeleitet. Insgesamt hat der Naturforscher Goethe seine Zeitgenossen stark beeindruckt. Notwendig und aufschlussreich wäre jetzt ein Vergleich mit den Reaktionen in den Geisteswissenschaften und Künsten seit dem 19. Jahrhundert bis heute – eine Arbeit, die ich anderen Forschern überlassen möchte.

    Wie stand Goethe zur GDNÄ?
    Goethe nahm interessiert und zustimmend Anteil an den Versammlungen der 1822 gegründeten Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte und verfasste eine zu seiner Zeit nicht veröffentlichte, aber später mehrfach gedruckte Studie über die GDNÄ. Er begrüßte vor allem das Anliegen der neuen Forschergesellschaft, Wissenschaftler persönlich in Kontakt zu bringen und vermerkte zugleich, dass ihre Mitglieder nicht die „mindeste Annäherung“ zu seiner „Sinnes-Art“ hätten. Alexander von Humboldt bezeichnete Goethe in seiner Rede auf der Berliner Tagung 1828 als „Patriarchen vaterländischen Ruhmes“, den seine literarischen Schöpfungen nicht abgehalten hätten, „den Forscherblick in alle Tiefen des Naturlebens zu tauchen“.

    Wie war Goethes Verhältnis zu Lorenz Oken, dem Gründer der GDNÄ?
    Das Verhältnis war beiderseits ambivalent, Ein Plagiatsstreit zwischen Goethe und Oken löste die Entdeckung des Schädelwirbels aus, die Oken 1807 in einer Veröffentlichung beschrieb und auch Goethe schickte. Der war sehr angetan von der Studie. Er lud Oken nach Weimar ein und setzte sich für dessen Berufung an die Universität Jena ein, wofür Oken ihm überaus dankbar war.  1823 reklamierte Goethe in den Heften zur Morphologie die Entdeckung für sich selbst. Er habe sie 1790 anhand eines auf den Dünen des Lidos von Venedig gefundenen Schafschädels gemacht, die Entdeckung dann zwar nicht veröffentlicht, aber mehrfach in Briefen aus Italien nach Deutschland darüber berichtet. An der Kontroverse beteiligten sich viele Wissenschaftler und nahmen mehrfach für Oken Partei. In anderen Bereichen standen sich Goethe und Oken durchaus nahe. Trotz abweichender politischer Auffassungen und obwohl er das Verbot von Okens Zeitschrift Isis in Thüringen durchsetzte, bezeichnete Goethe den GDNÄ-Gründer als „genial“.

    Nehmen Sie heute noch ein Interesse an Goethe als Naturforscher wahr?
    Ein neues Interesse ist in der Gegenwart vor allem an Goethes Farbenlehre zu beobachten. Man versucht, Goethes Forschungen, Beobachtungen und Auffassungen auf diesem Gebiet im Sinne seines ganzheitlichen Naturverständnisses zu verstehen, das sich vom objektiven oder auch experimentell-statistischen Wissenschaftsbegriff der Moderne abhebt. Sehr deutlich wird das in Goethes von Physikern meist vernachlässigten psychologisch-kulturellen Interpretation der Farben und an seinem Konzept der Metamorphose und Morphologie in den organischen Wissenschaften.

    Inwiefern kann Goethe zu einem Zusammenwachsen der Kulturen in Wissenschaft und Kunst beitragen?
    Goethes Bedeutung liegt ohne Zweifel auch in seinem Beitrag zur Überwindung oder, besser gesagt, Milderung der Trennung der zwei beziehungsweise vier Kulturen. Es kam Goethe insbesondere auf eine wechselseitige Verbindung und Kommunikation zwischen diesen Kulturen an, was für Naturwissenschaften und Medizin eine Herausforderung darstellt. Umgekehrt müssten aber auch die Künste und Geisteswissenschaften ihre naturwissenschaftliche Basis oder Abhängigkeit von der Natur erkennen – eine wohl noch größere Herausforderung. Wie sehr die Mühe sich lohnen kann, beschreibt Goethe so: „Es ist ein angenehmes Geschäft, die Natur und zugleich sich selbst zu erforschen, weder ihr noch seinem Geist Gewalt anzutun, sondern beide durch gelinden Wechseleinfluss miteinander ins Gleichgewicht zu setzen.“

    Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies

    © Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung Lübeck

    Prof. Dr. Dietrich von Engelhardt

    © J.B. Metzler, Heidelberg 2024

    Zur Person

    Dietrich von Engelhardt war von 1983 bis 2007 Ordinarius für Geschichte der Medizin und Allgemeine Wissenschaftsgeschichte der Universität zu Lübeck. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Naturphilosophie, Naturwissenschaften, Medizin in Idealismus und Romantik sowie europäische Wissenschaftsbeziehungen. 1997 organisierte Professor Engelhardt ein großes Symposium zum 175-jährigen Bestehen der GDNÄ in Lübeck. Er ist Herausgeber der zugehörigen Festschrift Forschung und Fortschritt sowie der Schriftenreihe über Die Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte. Dietrich von Engelhardt ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und seit 1981 auch der GDNÄ. 2016 erhielt er die Alexander-von-Humboldt-Medaille der GDNÄ.

    © Chris Light

    Im Jahr 1786 besuchte Goethe den Botanischen Garten in Padua. Bei der Betrachtung einer Fächerpalme kam ihm die Idee, dass alle Pflanzenarten vielleicht aus einer Art entstanden sein könnten. Der heute Goethe-Palme genannte Baum steht noch heute da und eine vorn angebrachte Tafel enthält in italienischer Sprache folgende Inschrift: „Johann Wolfgang Goethe, Dichter und Naturforscher entnahm hieraus den Gedanken und die Beweise seiner Metamorphose der Pflanzen.“

    Thomas Henry Huxley in der Erstausgabe von Nature, 1869

    „It may be, that long after the theories of the philosophers whose achievements are recorded in these pages, are obsolete, the vision of the poet will remain as a truthful and efficient symbol of the wonder and the mystery of Nature.“

    (in: Dietrich von Engelhardt: Goethe als Naturforscher, S. 291)

    Zum Weiterlesen:

    Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung:

    © Stadtmuseum Dresden

    Der deutsche Universalgelehrte und Maler Carl Gustav Carus (1789-1869) war sowohl Goethe als auch der GDNÄ eng verbunden.

    Vertrauen in die Klimaforschung nimmt zu

    Vertrauen in die Klimaforschung nimmt zu

    Die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft und Forschung ist weiterhin hoch. Aber es gibt auch skeptische Stimmen in der deutschen Bevölkerung. Das zeigt das Wissenschaftsbarometer 2024, eine repräsentative Umfrage der Organisation Wissenschaft im Dialog (WiD), in der die GDNÄ als Gesellschafterin mitwirkt. Nach zehn Jahren regelmäßiger Befragungen werden nun auch Langzeittrends sichtbar.

    Das Vertrauen der Menschen in Deutschland in Wissenschaft und Forschung ist stabil. Mit 55 Prozent gibt auch im Wissenschaftsbarometer 2024 mehr als die Hälfte der Befragten an, voll und ganz oder eher zu vertrauen (2023: 56 Prozent). Eine deutliche Veränderung zeigt sich im Verlauf der letzten zehn Jahre beim Thema Informiertheit: Der Anteil an Befragten, die sich eher nicht oder gar nicht über Wissenschaft und Forschung informiert fühlen, ist von 35 Prozent (2014) auf 17 Prozent (2024) zurückgegangen.

    Stark gestiegen ist das Vertrauen in  Aussagen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Themen Klimawandel und erneuerbare Energien. Glaubten im Jahr 2014 nur 37 Prozent der Befragten den Aussagen zum menschengemachten Klimawandel, sind es 2024 immerhin 59 Prozent. Und während heute 65 Prozent der Befragten wissenschaftlichen Aussagen zu erneuerbaren Energien vertrauen, waren es 2014 bloß 44 Prozent. Unter Berücksichtigung der politischen Einstellung kommt die aktuelle Befragung zu einem interessanten Ergebnis: 41 Prozent der Menschen, die der AfD ihre Stimme geben würden, vertrauen den wissenschaftlichen Aussagen zu erneuerbaren Energien, aber nur 15 Prozent schenken den Aussagen zum Klimawandel Glauben. Solche Unterschiede sind für andere Parteien (mit Ausnahme der FDP) nicht zu beobachten.

    © WID

    Seit einigen Jahren bewegt sich die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft auf stabilem Niveau.

    Zum ersten Mal erfragte das Wissenschaftsbarometer 2024 auch die Einschätzungen zur Wissenschaftsfreiheit. 45 Prozent der Menschen in Deutschland sind der Ansicht, dass es hierzulande eher gut oder sehr gut um die Wissenschaftsfreiheit steht. Ein fast ebenso großer Anteil (39 Prozent) hält die Wissenschaftsfreiheit für teils, teils gegeben. 

    Mögliche Gefahren sehen die Befragten in dem Einfluss von Wirtschaft und Politik auf die Wissenschaft: Zwei Drittel sind der Meinung, dass der Einfluss der Wirtschaft eher groß oder viel zu groß ist, 57 Prozent sagen dies über den Einfluss der Politik auf die Wissenschaft. Aufgrund einer starken Abhängigkeit seien Forschende nicht vertrauenswürdig – dieser Aussage stimmen 2024 deutlich mehr Menschen zu als in den Vorjahren (2022: 56 Prozent, 2023: 54 Prozent, 2024: 62 Prozent). 60 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass Journalistinnen und Journalisten Forschungsergebnisse verzerrt wiedergeben. 

    Zwei Drittel der Befragten erachten es für wichtig, Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidung über neue Forschungsthemen einzubeziehen (2017: 56 Prozent). Das Interesse an einer aktiven Teilnahme ist weniger stark ausgeprägt: 43 Prozent geben an, dass sie gern einmal in einem wissenschaftlichen Projekt mitforschen würden und 40 Prozent, dass sie mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlern diskutieren möchten. 

    Das Wissenschaftsbarometer ist eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage, mit der die gemeinnützige Organisation Wissenschaft im Dialog seit 2014 regelmäßig die Einstellungen zu Wissenschaft und Forschung ermittelt.

    Saarbrücken 2018 © Robertus Koppies

    © WID

    Titelbild der Broschüre Wissenschaftsbarometer 2024.

    Weitere Informationen:

    Martin Lohse: „Über Placebos oder die Therapie mit nichts“

    Über Placebos oder die Therapie mit nichts

    Martin Lohse, Pharmakologie-Professor und Vizepräsident der GDNÄ, über die verblüffenden Wirkungen von sogenannten Scheinmedikamenten und wie sie die Medizin bereichern können.

    Herr Professor Lohse, bei der GDNÄ-Versammlung in Potsdam hielten Sie kürzlich einen Vortrag über Placebos oder die Therapie mit nichts. Ihr Metier als Pharmakologe ist aber doch eher die Therapie mit etwas. Wie passt das zusammen?
    Auf den ersten Blick könnte man da einen Widerspruch sehen. Aber Placebo-Wirkungen begleiten auch jede Arzneimitteltherapie sowie andere medizinische Maßnahmen, und deshalb gehören sie dazu.

    Das Publikum war begeistert von Ihrem Vortrag, applaudierte ausgiebig und hatte viele Fragen. Woher rührt das große Interesse an diesem Thema?
    Ich denke, dass viele Menschen sich davon angesprochen fühlen, weil sie so etwas selbst erlebt oder bei anderen gesehen haben und sich dazu Gedanken machen. Bei dem Thema kreuzen sich auch verschiedenartigste Denkrichtungen – von der wissenschaftlichen Arzneitherapie bis hin zum Schamanismus.

    Wie kamen Sie auf das Thema?
    Mehr als zwanzig Jahre lang habe ich es in meinen Pharmakologie-Einführungsvorlesungen behandelt, weil ich denke, dass Ärzte und Apotheker darüber Bescheid wissen sollten. Sie alle arbeiten ja, bewusst oder unbewusst, mit Placebo-Wirkungen. Dazu gehören auch schädliche Wirkungen, sogenannte Nocebo-Effekte. Über die Jahre habe ich mich dann tiefer in die Materie eingearbeitet, weil ich wissen wollte, was in diesem Feld eigentlich belegt und was nur Vermutung ist. Gerade in jüngerer Zeit bin ich auf viele neue Ergebnisse und auch manches Erstaunliche gestoßen.

    Was hat Sie am meisten erstaunt?
    Dass bei Placebo-Wirkungen im Kopf des Arztes die gleichen Gehirnzentren aktiviert werden wie im Kopf des Patienten. Das ist vor allem in der Therapie von Schmerz untersucht worden. Es scheint so zu sein, dass der Arzt zunächst die Schmerzen des Patienten nachempfinden muss. Dann kann er mit dieser Vorstellung seine eigenen schmerzunterdrückenden Systeme aktivieren, und das wiederum überträgt sich auf den Patienten. Diese Fähigkeit des Arztes korreliert eng mit seiner Fähigkeit zur Empathie, wie sie in psychologischen Tests gemessen werden kann. In meinem Vortrag bin ich näher auf entsprechende Forschungsergebnisse eingegangen.

    Schema der Wechselwirkung zwischen Patienten und Ärzten bei der Schmerzunterdrückung

    Placebo-Effekte bei der Schmerz-Unterdrückung entstehen durch die Interaktion von Patienten und Ärzten. Schmerz aktiviert bei Patienten sogenannte Schmerzzentren im Gehirn gelber Stern), wie die funktionelle Kernspin-Resonanz-Bildgebung zeigt. Wenn empathische Ärzte mit solchen Patienten zusammenkommen, dann aktivieren sie ihrerseits die gleichen Zentren im Gehirn. Sie können aber auch die eigenen schmerzunterdrückenden Zentren in ihrem Gehirn in Gang setzen (blaues Symbol). Dies überträgt sich auf Patienten und führt bei ihnen zur Aktivierung von schmerzunterdrückenden Nerven, die körpereigene Opioide und andere Überträgerstoffe im Körper freisetzen und so die schmerzunterdrückende Placebo-Wirkung erzeugen. Dieser Effekt entsteht unabhängig davon, ob das Arzneimittel, das dem Patienten dabei verabreicht wird, einen schmerzstillenden Wirkstoff enthält oder ob es ein reines Placebo ist.

    Was bedeutet das für die ärztliche Praxis?
    Ärzte, die es verstehen, sich in ihre Patienten hineinzuversetzen, können mit Empathie in der wechselseitigen Beziehung sehr viel bewirken. Es wäre gut, wenn wir solche Placebo-Effekte systematischer und begründeter nutzen könnten, nicht nur intuitiv und basierend auf persönlicher Erfahrung. Deshalb sollten wir das Wissen auf diesem Feld vermehren und es auch stärker in die Ausbildung von Ärzten und Apothekern einfließen lassen.

    Kann man Empathie, die ja offenbar eine große Rolle spielt, überhaupt lehren und lernen?
    Manches ist Talent und manches kann man lernen. Aber da es sich um eine zentrale Kompetenz von Therapeuten handelt, sollte das Thema eigentlich die gesamte Ausbildung begleiten. Die heutigen Kurse in Medizinischer Psychologie für angehende Ärzte sind ein Anfang.

    Wie weit ist die Placebo-Forschung?
    Im Vergleich zu vielen anderen Bereichen in der Medizin steht sie noch am Anfang. Von einer ernst zu nehmenden, naturwissenschaftlich begründeten Placebo-Forschung können wir erst seit rund drei Jahrzehnten sprechen. In ihr begegnen sich Medizin, Psychologie und die neuen bildgebenden Verfahren. Vor allem die funktionelle Kernspin-Bildgebung gibt uns eine Vorstellung davon, was im Kopf von Patienten und Therapeuten passiert. Es geht also voran in der Placebo-Forschung und Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle. Vor vier Jahren wurde zum Beispiel ein überregionaler Sonderforschungsbereich  eingerichtet, der schon zu einer Reihe interessanter Ergebnisse geführt hat. 

    Eröffnung der Büros Postplatz 1 © Paul Glaser

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Großes Publikumsinteresse: Nach dem Vortrag gab es viele Fragen und Kommentare zur Placebo-Wirkung.

    Placebos wurden bisher ja vor allem in Arzneimittelstudien eingesetzt, um herauszufinden, ob Arzneimittel im Vergleich zu ihnen wirken. Lernt man daraus auch etwas, wie Placebos wirken?
    Eigentlich nicht, denn in solchen Studien dient der Placebo-Arm nur als Hintergrund, vor dem sich die Wirkung eines Arzneimittels zeigen soll. Aber die Behandlung mit Placebos ist nicht neutral. Das zeigen Studien mit offenen Placebos, bei denen die Patienten wissen, dass sie Placebo bekommen und dennoch eine Heilwirkung verspüren. Vermutlich gibt es viele Arten von Placebo-Effekten – so wie es ja auch zahllose Arzneimittel gibt. Die sollten wir künftig im Einzelnen charakterisieren und in ihrem Zusammenwirken untersuchen.

    Noch ein paar Worte zu Arzneimittelstudien: Dass Verum allein gegen Placebo getestet wird, kommt kaum noch vor. Denn wenn es bereits wirksame Arzneimittel gibt, verbietet sich aus ethischen Gründen die Gabe von Scheinpräparaten. In diesen Fällen testet man Standardbehandlung plus Placebo gegen Standardbehandlung plus neues Arzneimittel. Das erschwert neuen Arzneimitteln die Marktzulassung: Sie müssen nicht nur selbst wirken, sondern einen Nutzen zusätzlich zur Standardtherapie bringen. 

    Lassen Sie uns einmal genauer auf den Placebo-Effekt schauen: Was weiß man über seine psychologischen und biologischen Grundlagen?
    Psychologisch wichtig ist die Erwartungshaltung der Patientinnen und Patienten. Sowohl positive als auch negative Erwartungen haben einen starken Einfluss auf den Behandlungserfolg – die Therapie mit nichts gründet sozusagen in unseren Erwartungen. Über die biologischen Vorgänge wissen wir noch sehr wenig. Bekannt ist, dass Placebos die Aktivität bestimmter Hirnregionen erhöhen. Zum Beispiel aktivieren Placebos bei der Schmerzunterdrückung genau jene Regionen und Nervenbahnen im Gehirn, die für die Kontrolle der Schmerzwahrnehmung da sind. 

    Braucht es Pillen für die Placebo-Wirkung oder reicht die positive Erwartung?
    Pillen, ob mit oder ohne Wirkstoff, oder auch andere spezifische Maßnahmen wie zum Beispiel die Akupunktur haben eine Placebo-Wirkung. Optimal ist ein gutes Arzneimittel kombiniert mit positiven Erwartungen. So zeigen die meisten Studien, dass Arzneimittel plus Placebo doppelt so gut wirkt wie Placebo allein. 

    Bei welchen Krankheiten ist der Placebo-Effekt am größten?
    Bei Schmerzen ist der Effekt gut untersucht, speziell auch bei Migräne, bei funktionellen Störungen im Magen-Darm-Trakt und allgemein bei Störungen mit einer starken psychosomatischen Komponente. Auch Depressionen lassen sich oft gut mit Placebos lindern. Diese Wirkung ist überzeugend nachgewiesen und sie macht Studien zu Antidepressiva so schwierig. 

    Bei welchen Krankheiten sollte man nicht auf den Placebo-Effekt setzen?
    Immer dann, wenn man weiß, dass es Arzneimittel mit einem guten Verum-Effekt gibt, deren Inhaltsstoffe also nachweislich gegen eine bestimmte Krankheit helfen. In diesem Fall muss man das Verum auch einsetzen – im Wissen, dass seine Wirkung durch Placebo-Effekte ergänzt wird. Tut man das als Arzt nicht, etwa in der Krebstherapie, wird es gefährlich. Das ist ja auch der stärkste Vorwurf gegen umstrittene Therapierichtungen wie etwa die Homöopathie. 

    Nicht wenige Patienten berichten von verblüffenden Heilungserfolgen durch homöopathische Mittel. Wie stehen Sie dazu?
    Gute Homöopathen verstehen es, Placebo-Effekte effizient zu nutzen. Darauf beruht die Wirkung der Homöopathie und nicht auf den fast unendlich verdünnten Arzneimitteln, die sie verwendet. Diesen Mitteln Verum-Effekte zuzuschreiben, halte ich für Unfug. 

    Wie geht es weiter in Sachen Placebo-Effekt?
    Ich rechne schon bald mit vielen neuen Erkenntnissen. Und ich hoffe, dass wir ganz unterschiedliche Placebo-Wirkungen und -Mechanismen identifizieren und verstehen werden, und dass wir daraus praktische Konsequenzen für die Ausbildung und die therapeutische Tätigkeit ziehen können.

    Heribert Hofer © MIKA-fotografie | Berlin

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Placebo oder Therapie mit nichts:  Zu diesem Thema hielt der Pharmakologe und GDNÄ-Vizepräsident Martin Lohse den öffentlichen Leopoldina-Vortrag 2024.

    So wirken Arzneimittel: Eine zeitlich begrenzte, von selbst abheilende Erkrankung verursacht eine Zeitlang Symptome wie Fieber oder Schmerzen – das beschreibt die glockenförmige äußere Kurve.

    So wirken Arzneimittel: Eine zeitlich begrenzte, von selbst abheilende Erkrankung verursacht eine Zeitlang Symptome wie Fieber oder Schmerzen – das beschreibt die glockenförmige äußere Kurve. Wenn man auf dem Höhepunkt der Symptome ein wirksames Arzneimittel gibt, etwa eines, das Fieber senkt, dann nehmen die Symptome zügig ab. Dazu tragen zwei Komponenten bei: die Placebo-Wirkung (blauer Bereich) und die Wirkung des Arzneistoffs, auch Verum genannt (roter Bereich).

    Zur Person

    Martin Lohse ist Professor für Pharmakologie und Toxikologie, Geschäftsführer des bayerischen Forschungsunternehmens ISAR Bioscience in Martinsried und Vizepräsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ). Als deren Präsident in den Jahren 2019 bis 2022 prägte er die 200-Jahr-Feier der Naturforschergesellschaft in Leipzig mit dem Tagungsthema „Wissenschaft im Bild“ (PDF). Er ist Herausgeber der aus diesem Anlass veröffentlichten Festschrift „Wenn der Funke überspringt“. Für seine Forschung über G-Protein gekoppelte Rezeptoren erhielt er den höchsten deutschen Wissenschaftspreis, den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und viele weitere Auszeichnungen.

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