„Faszinierend und wunderschön“
Sie liefern Sauerstoff und Nahrungsmittel und schaffen eine gesunde Umwelt: Pflanzen sind lebenswichtig und doch zunehmend bedroht. Wie sich ihre Widerstandskraft gegen Trockenheit und andere Stressfaktoren gezielt verbessern lässt, erforscht Professorin Tina Romeis am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle.
Frau Professorin Romeis, der Klimawandel setzt der Pflanzenwelt weltweit zu. Auch in unseren Breiten sind Bäume, Sträucher und viele andere Gewächse von den Dürren der letzten Jahre gezeichnet. Beschäftigt Sie das in Ihrer Forschung?
Ja, der Trockenstress ist für mich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen hier am Institut ein großes Thema. Als Grundlagenforscher wollen wir bis in die molekularen Details hinein verstehen, was bei anhaltendem Wassermangel in den Pflanzen geschieht. Mit diesem Wissen sollte es gelingen, ihre Widerstandskraft gezielt zu erhöhen.
Wie gehen Sie das Problem an?
Unser Institut ist spezialisiert auf kleine Moleküle. Wir konzentrieren uns auf bestimmte Stoffwechselprodukte, sogenannte Metaboliten, die entscheidend zur Resistenz einer Pflanze gegenüber Trockenheit beitragen. Solche Metaboliten bestimmen wir in Pflanzen, die unterschiedlich gut mit Wassermangel zurechtkommen. Bäume wie Buchen und Eichen weisen noch eine recht hohe Trockentoleranz auf, Nadelbäume haben große Probleme damit. Darüber hinaus identifizieren wir die kleinen Moleküle in Signalwegen, über die sich Informationen über Umweltbedingungen innerhalb einer Pflanze verbreiten. Über diese Wege mobilisiert die Pflanze auch ihre Abwehrkräfte, zum Beispiel bei Wassermangel.
© IPB
Im Foyer des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle.
Wie können wir uns pflanzliche Abwehrkräfte vorstellen?
Wenn Pflanzen angegriffen werden, beispielsweise durch Bakterien oder Fraßinsekten, aktivieren sie Abwehrmechanismen und -stoffe, mit denen sie sich bei künftigen Attacken wehren können. Daran sind Kalzium-abhängige Proteinkinasen beteiligt, für die ich mich in meiner Forschung ganz besonders interessiere. Es handelt sich um Enzyme, die nicht nur wichtig für die Immunabwehr von Pflanzen sind, sie prägen auch die pflanzliche Stresstoleranz gegenüber Trockenheit, Kälte und Nährstoffmangel. Interessanterweise gibt es im menschlichen Gehirn ähnliche, durch Kalzium regulierte Proteinkinasen, die entscheidend für das Lernen und das Gedächtnis sind.
Können auch Pflanzen sich erinnern?
Ja, das kann man durchaus sagen. Natürlich haben Pflanzen kein Gehirn oder ein Nervensystem wie wir Menschen. Aber sie verfügen über eine Art molekulares Gedächtnis. Wie es genau funktioniert, welche Informationen Pflanzen kurz- oder langfristig speichern und welche Faktoren das Vergessen von Informationen regulieren, all das erforscht meine Arbeitsgruppe.
Was tun Sie mit Erkenntnissen, die für die Anwendung interessant sein könnten?
Wenn das der Fall ist, wenden wir uns an das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung im nahegelegenen Gatersleben. Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen unseren Instituten klappt hervorragend und die Rollenverteilung ist einvernehmlich geregelt: Wir am IPB sind zuständig für die biochemische Grundlagenforschung, Gatersleben verfügt über artenreiche Saatgutbanken, die sich hervorragend für Neuzüchtungen oder gezielte genetische Veränderungen eignen.
Für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung im Klimawandel sind solche Entwicklungen sehr wichtig. Wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Zwar betreiben wir keine Pflanzenzüchtung, liefern also nicht direkt anwendbare Lösungen. Doch die Fragen, die wir in unserer biochemischen Grundlagenforschung stellen, sind natürlich von globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel geleitet. Dass diese Forschungsfragen dringend beantwortet werden müssen, sieht man auch daran, dass die Wissenschaft in unserem Feld weltweit boomt. In Deutschland stehen wir aktuell noch recht gut da. Was die Zukunft angeht, bin ich jedoch etwas skeptisch. Viele junge Leute wollen nach dem Studium nicht mehr promovieren. Bei ihnen beobachte ich ein starkes Interesse für Naturschutz, Umweltmanagement und ökologische Bildung – die Grundlagenforschung ist nicht ihr Hauptanliegen.
War das der Grund, warum Sie vor drei Jahren von der Freien Universität Berlin an das Leibniz-Forschungsinstitut nach Halle wechselten?
Ich wollte mich auf die Forschung konzentrieren und dafür sind die Bedingungen am IPB ideal. Von der apparativen Ausstattung, die uns hier zur Verfügung steht, kann man an den meisten Unis nur träumen. Ein Beispiel ist unser Massenspektrometer, mit dem wir die Massen von Atomen und Molekülen in Pflanzen bestimmen, ein anderes das konfokale Mikroskop, das winzige pflanzliche Reaktionen sichtbar macht. Und mithilfe der sogenannten FRET-Mikroskopie können wir biochemische Prozesse in der Pflanze live beobachten.
© IPB
Mit diesem Konfokalmikroskop untersuchen die Wissenschaftler um Professorin Romeis das Verhalten lebender Pflanzen unter verschiedenen Bedingungen wie zum Beispiel großer Trockenheit. Zu sehen ist immer dasselbe Blatt der zu Forschungszwecken häufig genutzten Ackerschmalwand Arabidopsis. Gezeigt werden einzelne Schließzellen (Stomata) an der Unterseite eines Blattes, die den Gasaustausch und den Wasserhaushalt in der Pflanze steuern. Das Mikroskop führt die biochemischen Prozesse vor Augen, die zum Öffnen der Zellen bei günstigen Bedingungen und zum Schließen bei Trockenheit führen.
Das klingt nach guten Voraussetzungen für Erfolgsgeschichten.
Die gibt es immer wieder, auch fächerübergreifend. Erst vor wenigen Monaten wurde ein spektakulärer Fund publiziert, zu dem die Forschung bei uns am Institut beigetragen hat. Es ging um den Auslöser einer mysteriösen neurodegenerativen Krankheit bei Weißkopfseeadlern, der nach jahrelanger gemeinsamer Forschung mit amerikanischen Wissenschaftlern identifiziert werden konnte. Seit den 1990er-Jahren waren an der Krankheit viele Vögel, Reptilien und Fische im Süden der USA gestorben. Ursache war ein Gift, das von Cyanobakterien gebildet wird, die auf bestimmten Wasserpflanzen in den betroffenen Gegenden gedeihen. Die Studie wurde als Titelgeschichte im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht und trug der Pflanzenforschung in Halle großes Renommee ein. Meinen Kollegen am Institut ist jetzt gerade die chemische Totalsynthese dieses Gifts gelungen, es handelt sich um einen toxischen Metaboliten.
Auch deutsche Publikumsmedien berichteten über die Studie. Lag das am attraktiven Thema oder ist das Interesse der Öffentlichkeit an Wissenschaftsthemen generell groß?
Es hatte viel mit der besonderen Thematik zu tun. Generell beobachte ich eher eine zunehmende Wissenschaftsmüdigkeit und einen Vertrauensverlust. Die vielen Plagiatsaffären haben dem Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft doch sehr geschadet. Da haben wir einiges aufzuholen und gutzumachen.
Welche Rolle kann die GDNÄ dabei spielen? Immerhin ist der Austausch mit der Gesellschaft eines ihrer großen Anliegen.
Ich glaube, die GDNÄ kann hier viel bewirken. Sie ist eine neutrale Instanz und vertritt keine spezifischen Fachinteressen. Das ist eine gute Basis für einen vertrauensvollen Dialog mit der Öffentlichkeit.
In der GDNÄ vertreten Sie seit Kurzem das Fach Biologie. Was möchten Sie in dieser Funktion erreichen?
Pflanzen sind extrem wichtig für unser Leben, für die Energieversorgung und das gesamte Ökosystem und sie werden immer wichtiger. Außerdem sind Pflanzen wunderschön und faszinierend. Das würde ich gern stärker ins Bewusstsein rücken und auch der nächsten Generation vermitteln. Die Programme der GDNÄ für Schüler und Lehrer bieten dafür hervorragende Möglichkeiten.
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Seit 2019 leitet Tina Romeis die Abteilung „Biochemie pflanzlicher Interaktionen“ am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle an der Saale. Gleichzeitig wurde die damals 54-Jährige als Professorin an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen. Zuvor hatte Tina Romeis 15 Jahre lang den Lehrstuhl für Pflanzenbiochemie an der Freien Universität Berlin geleitet. Dem Ruf nach Berlin ging eine Forschungstätigkeit am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln voraus. Dort hatte sie sich dank des 2001 zuerkannten, hoch dotierten Sofia-Kovalevskaja-Preises der Alexander-von-Humboldt-Stiftung als unabhängige Gruppenleiterin etablieren können. Ihre Habilitation in Genetik und Molekularer Phytopathologie erfolgte am Institut für Genetik der Ludwig-Maximilians-Universtiät München. Weitere Meilensteine ihrer Laufbahn waren Forschungsaufenthalte in München und am John-Innes-Centre im britischen Norwich und davor die Promotion am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. In Tübingen, an der Eberhard-Karls-Universität, hatte Tina Romeis Biochemie, Organische Chemie und Pflanzenphysiologie studiert. Aufgewachsen ist die in Würzburg geborene Fränkin im Steigerwald.
Das Forschungsinteresse von Professorin Romeis richtet sich insbesondere auf Kalzium-abhängige Proteinkinasen. Diese Enzyme sind nicht nur wichtig für die Immunabwehr von Pflanzen, sie prägen auch deren Stresstoleranz gegenüber Trockenheit, Kälte und Nährstoffmangel. Die Biochemikerin will ihre Grundlagenforschung in Kooperation mit Forschungseinrichtungen in der Region nutzbar machen: sowohl für die Land- und Forstwirtschaft wie auch für das Verständnis ökologischer Zusammenhänge.
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