„Von der Seitenlinie Begeisterung schüren, Talente fördern“
Ekkehard Winter, langjähriger Stiftungsmanager und Mitglied im GDNÄ-Vorstandsrat, über neue Wege zu einer besseren MINT-Bildung in Deutschland.
Herr Dr. Winter, Sie sind vor gut dreißig Jahren Mitglied der GDNÄ geworden. Damals, Mitte der 1990er-Jahre, standen Sie am Anfang Ihrer Laufbahn in großen deutschen Wissenschaftsstiftungen. Was hat die GDNÄ für Sie interessant gemacht?
Das waren ganz klar Persönlichkeiten wie Hubert Markl, Joachim Treusch und Detlev Ganten, die sich damals als Präsidenten der GDNÄ ablösten. Sie sind die Pioniere moderner Wissenschaftskommunikation in Deutschland, ihnen haben wir viel zu verdanken. Ich war dann immer wieder auf Versammlungen der GDNÄ, wobei mich die 200-Jahr-Feier in Leipzig vor drei Jahren ganz besonders beeindruckt hat. Bei all diesen Treffen werden niveauvolle Vorträge geboten, die ein Thema gründlich ausleuchten – und nicht nur Wissensschnipsel wie bei anderen Veranstaltungen mit ähnlicher Zielgruppe.
Vor fast einem Jahr wurden Sie in den GDNÄ-Vorstandsrat berufen. Was bedeutet das für Sie?
Ich bin für zwei Jahre berufen, also bis Ende 2026. Mir macht es Freude, meine jahrzehntelange Erfahrung in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung einzubringen. Hilfreich könnte auch mein Netzwerk an Kontakten sein – sei es in Stiftungen, Hochschulen und Forschungsmuseen oder in der Politik. Bisher habe ich an zwei Strategiesitzungen der GDNÄ teilgenommen und jedesmal war ich beeindruckt von den produktiven Diskussionen auf Augenhöhe und den erfrischenden Beiträgen junger Mitglieder.
Sie kennen viele Nachwuchsorganisationen im Wissenschaftsbereich. Welchen Eindruck haben Sie von der noch recht jungen jGDNÄ?
Ihre Mitglieder sprudeln über vor Ideen, sie wollen etwas erreichen, auch für ihre eigene Karriere. Das ist andernorts ähnlich und sehr zu begrüßen. Gut finde ich auch, wenn die jungen Leute eigene Veranstaltungen zwischen den Versammlungen der GDNÄ organisieren. Aber, und auch das gehört zum Bild: Derzeit lebt die Initiative vom Elan besonders engagierter Mitglieder. Doch was ist, wenn sie ins Ausland gehen? Oder kaum noch Zeit für das Ehrenamt haben? Droht dann der Zerfall? Um das zu verhindern, wird in ein, zwei Jahren eine Art Verbindungsbüro nötig sein – ein Hub, der alles zusammenhält. Das kostet Geld und ohne Fördermittel wird das kaum zu stemmen sein. Da überlege ich gern mit.

© Marlene Anders
Sind schon Förderchancen absehbar?
Nehmen wir zum Beispiel die Stiftungen. Viele von ihnen engagieren sich inzwischen aufgrund strategischer Entscheidungen und auch aus Kostengründen weniger in Personenprogrammen, sie fördern eher Strukturen. Für einen jGDNÄ-Hub würde das also passen. Es gibt aber noch viele andere Fördermöglichkeiten über zivilgesellschaftliche oder staatliche Institutionen, die sich teilweise kombinieren lassen. Was fehlt, ist ein Überblick, der Stärken, Schwächen und Besonderheiten der Angebote erkennen lässt. Die Erstellung einer „Förderlandkarte“ wäre doch mal ein schönes Thema für eine Bachelorarbeit!
Ein Vorschlag aus den Reihen der jGDNÄ ist ein Mentoringprogramm, das junge Leute mit etablierten GDNÄ-Mitgliedern aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringt. Eine gute Idee?
Eine sehr gute Idee! Ich denke da an eine Erfahrung, die ich als Geschäftsführer der Telekom Stiftung gemacht habe. Wir haben ein Programm auf die Beine gestellt, das Doktoranden mit Führungspersönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbrachte, auch mit Topmanagern aus der Wirtschaft. Jeder Mentee hatte einen Mentor oder eine Mentorin, die alle sehr gern mitgemacht haben und oft aus anderen Disziplinen als ihre Mentees kamen. Das hat hervorragend funktioniert. Aber es muss gut organisiert werden und braucht Begeisterung, Zeit und Geld.
Die jGDNÄ ist eine Dachorganisation, in der auch das seit vielen Jahren erfolgreiche Schülerprogramm der GDNÄ angesiedelt ist. Wie beurteilen Sie das Programm?
Nach allem, was ich in den letzten Jahren beobachten konnte, hat es sich wunderbar entwickelt. Es spielt eine wichtige Rolle im Ökosystem der MINT-Bildung, also im Bereich von Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften. Solche Programme stärken die Faszination für Fächer, die dringend gebraucht werden, denen es aber immer schon an Nachwuchs fehlte. Grundlegend wird sich das wohl auch in Zukunft nicht ändern. Umso wichtiger sind Programme für Schülerinnen und Schüler, die sozusagen über die Seitenlinie Begeisterung schüren und Talente fördern.
Unter dem Dach der jGDNÄ laufen mehrere Programme, unter anderem ein noch kleines Lehrerprogramm der GDNÄ. Sehen Sie Potenzial und, wenn ja, wie lässt es sich ausschöpfen?
Gerade im MINT-Bereich gibt es unglaublich engagierte Lehrkräfte. Dass das auch beim GDNÄ-Programm so ist, weiß ich aus Gesprächen mit dessen Leiter Paul Mühlenhoff. Diese Lehrerinnen und Lehrer genießen es oft sehr, außerhalb ihrer eigenen Schulen zusammenzukommen und sich austauschen zu können. In ihren heimischen Kollegien gelten sie oft als Störenfriede, weil sie gern Neues ausprobieren und die Standards hochschrauben. Eine Idee wäre zum Beispiel ein Lehrkräftecafé bei der nächsten Versammlung 2026 in Bremen. Eingeladen wären etablierte und angehende MINT-Lehrerinnen und Lehrer mit Interesse an Austausch und Kooperation. Ich habe einige Treffen dieser Art koordiniert und war immer wieder verblüfft, wie wenig Lehrkräfte über Initiativen in anderen Bundesländern wissen und wie gern sie gute Impulse aufgreifen. Unser föderales Bildungssystem ist dermaßen provinziell! Das sollten wir ändern und die GDNÄ könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Vor zwei Jahren sind Sie in den Ruhestand gegangen. Neben Ihren Ehrenämtern, unter anderem in der GDNÄ, studieren Sie jetzt Wissenschaftsphilosophie an der Uni Münster. Eine gute Entscheidung?
Ja, auf jeden Fall. Bisher fehlte mir die Zeit, mich mit der Ideengeschichte und den Theoriegebäuden der Naturwissenschaften zu befassen. Diese Bereiche sollten aber nicht nur Ruheständler interessieren, sondern sie müssten aus meiner Sicht auch in der Vermittlung der MINT-Fächer an Schulen und Hochschulen vorkommen. Auch die GDNÄ mit ihrer langen Geschichte könnte dafür ein guter Platz sein.

© Deutsche Telekom Stiftung
Dr. Ekkehard Winter, Biologe, langjähriger Stiftungsmanager und berufenes Mitglied im GDNÄ-Vorstandsrat.
Zur Person
Dr. Ekkehard Winter engagiert sich im Nationalen Bildungsforum und berät das Nationale MINT Forum; beide Einrichtungen sind wichtige bildungspolitische Akteure. Von 2005 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2023 war Winter Geschäftsführer der Deutschen Telekom Stiftung, deren Profilierung als führende Bildungsstiftung im Bereich Mathematik, Ingenieur- und Naturwissenschaften (MINT) er maßgeblich geprägt hat. Zuvor war der promovierte Biologe als Programmleiter und stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft tätig. Ekkehard Winter zählt zu den Gründern der bundesweiten Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) und des EuroScience Open Forum (ESOF). In den Jahren 2017 und 2018 war er Gründungsvorstand des Forums Bildung Digitalisierung, das sich für die digitale Transformation im Schulsystem einsetzt. Von 2017 bis 2023 war Winter Co-Sprecher des Nationalen MINT-Forums e.V.. GDNÄ-Mitglied ist Ekkehard Winter seit Mitte der 1990er-Jahre; 2024 wurde er in den Vorstandsrat berufen.

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