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  • „Früher Gäste, heute Partner“

    GDNÄ-Präsident Heribert Hofer über Glanzlichter der Versammlung 2024, die Verantwortung der Wissenschaft und frischen Wind durch die Junge GDNÄ.

    Herr Professor Hofer, in wenigen Tagen beginnt in Potsdam die 133. Versammlung der GDNÄ. Als Präsident sind Sie für das wissenschaftliche Programm verantwortlich – es ist sozusagen Ihre Tagung. Freuen Sie sich darauf?
    Absolut. Ich bin sehr gespannt auf die Vorträge, die Diskussionen mit dem Publikum und auf die Beiträge der vielen jungen Leute, die wir zur Tagung eingeladen haben. 

     „Wissenschaft für unser Leben von morgen“, so ist die Versammlung überschrieben. Wie kam es zu diesem Titel?
    Wir, und damit meine ich Vorstand und Vorstandsrat der GDNÄ, wollen in Potsdam zeigen, welche künftigen Entwicklungen sich heute schon in der Wissenschaft abzeichnen. Es geht um Erfindungen und Entdeckungen, die sich auf die ganze Gesellschaft auswirken werden – und zwar viel schneller, als das früher der Fall war. 

    Welche umwälzenden Veränderungen sind das?
    Nehmen wir zum Beispiel die Geneditierung bei Pflanzen. Mit neuen molekulargenetischen Methoden lassen sich erwünschte Eigenschaften punktgenau und zügig in Nutzpflanzen einbringen. Zum Beispiel die Resistenz gegen weit verbreitete Schädlinge. Das spart Schädlingsbekämpfungsmittel und schont die Umwelt. Früher gelang so etwas, wenn überhaupt, nur durch jahrelange Züchtung. Ein anderes Beispiel ist die Künstliche Intelligenz. Praktisch täglich wird über neue KI-Entwicklungen berichtet, immer mehr neue Anwendungen kommen auf den Markt. 

    Für viele Menschen ist KI derzeit nur ein Wetterleuchten am Horizont, ihr Alltag hat sich deshalb noch nicht groß verändert. Ist das in Ihrem Institut in Berlin anders?
    Ja, wir nutzen die neuen Methoden zunehmend. Ich kenne auch kein Forschungsinstitut im Bereich Biologie, das nicht mit Künstlicher Intelligenz arbeitet oder zumindest experimentiert. In meinem Feld, der Verhaltensökologie, versuchen wir zum Beispiel, die Beobachtung von Wildtieren mithilfe von KI zu verbessern. Derzeit validieren wir ein Mustererkennungsprogramm, das uns zuverlässig sagen soll, ob einzelne Geparde in Namibia gerade umherstreifen, ob sie fressen oder ob sie schlafen. Dazu haben wir die Raubkatzen vorher mit Beschleunigungssensoren und winzigen Funkantennen ausgestattet. Ziel ist eine automatische Verhaltensklassifikation rund um die Uhr, die Vor-Ort-Beobachtungen durch Forscher ideal ergänzen würde. KI wird uns ungeahnte Erkenntnisse über das Leben von Tieren in freier Wildbahn bescheren, wir sind da sehr zuversichtlich. 

    Sie haben die Vorteile neuer Erfindungen genannt. Es gibt auch Schattenseiten. Kommen die in Potsdam ebenfalls zur Sprache?
    Ja, und gerade das ist mir ein großes Anliegen. Wer Wissenschaft verantwortungsbewusst betreiben will, muss beide Seiten beleuchten. In Potsdam werden wir das Für und Wider neuer Technologien darstellen und im Diskurs mit dem Publikum gegeneinander abwägen. Thematisiert werden auch die Methoden der Forschung, also die Frage, wie Wissenschaftler zu ihren Ergebnissen kommen.

    Eröffnung der Büros Postplatz 1 © Paul Glaser

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Wie immer gut besucht: Der Science Slam „Wissenschaft in 5 Minuten“ bei der GDNÄ-Versammlung 2022 in Leipzig. Heribert Hofer (links im Bild) betreute die mitwirkenden Schülerinnen und Schüler.

    Die GDNÄ hat seit vielen Jahren ein gut funktionierendes Schülerprogramm. Jetzt soll eine Junge GDNÄ gegründet werden. Was ist der Unterschied?
    Das Schülerprogramm ist nebenher gelaufen, es war ein schöner zusätzlicher Programmpunkt. Die Junge GDNÄ wird unsere Jugendorganisation sein, ein Kernelement der GDNÄ – mit einem größeren Altersspektrum als wir es vom Schülerprogramm kennen. Mit der Jungen GDNÄ möchten wir ausgewählte Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg ins Studium begleiten und den Austausch mit ihnen pflegen. Das sind großartige junge Persönlichkeiten und ihnen wollen wir sagen: Ihr seid hier willkommen und wir freuen uns auf Euren Beitrag. Um es auf eine Formel zu bringen: Früher waren Schülerinnen und Schüler unsere Gäste, heute sind sie Teil des Ganzen.

    Wird das in Potsdam schon sichtbar werden?
    Ja. Nach jeder Fachveranstaltung mit meist drei Referaten wird es eine Podiumsdiskussion geben, bei der die Vortragenden zusammen mit zwei, drei Vertretern der Jungen GDNÄ untereinander und mit dem Publikum debattieren. Zur inhaltlichen Einstimmung nehmen die jungen Leute an zwei Workshops vor der Versammlung teil. Das hervorgehobene Diskussionsformat ist ganz neu, so etwas gab es bisher nicht. Eine besondere Bühne erhalten die jungen Leute auch zum Auftakt der Versammlung, am Donnerstagabend, 12. September: Dann treten etliche von ihnen mit kurzen, knackigen Präsentationen beim fast schon traditionellen Wettbewerb „Wissenschaft in 5 Minuten“ gegeneinander an.

    Junge Menschen werden heute vielerorts umworben. Was kann die GDNÄ ihnen bieten?
    Interdisziplinäre wissenschaftliche Expertise auf hohem Niveau, aber ohne Fachjargon und der unmittelbare Austausch mit renommierten Forschern, darunter auch Nobelpreisträger. Das alles auf Deutsch, was die Kommunikation in der Regel erleichtert. Die meisten Schülerinnen und Schüler machen große Augen und können kaum glauben, dass die Koryphäen ihnen persönlich zur Verfügung stehen – das erlebe ich seit vielen Jahren immer wieder. Sehr geschätzt wird auch die Studienberatung durch erfahrene Wissenschaftler bei unseren Tagungen. 

    Die GDNÄ kommt nur alle zwei Jahre zusammen. Was passiert in der Zwischenzeit mit der Jungen GDNÄ?
    Darüber wollen wir mit den jungen Menschen reden und in Potsdam werden wir damit anfangen. Intern gibt es die Idee einer regionalen Vernetzung untereinander mit regelmäßigen Treffen und Veranstaltungsangeboten. Auch ein Mentorenprogramm ist in der Diskussion.

    Was schwebt Ihnen da vor?
    Ein bundesweites Programm mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ärztinnen und Ärzten und anderen, die junge Menschen auf ihrem Weg durch Schule und Hochschule begleiten, bis hin zu den ersten Karrierestufen. Ich hoffe, dass wir in der GDNÄ zahlreiche hervorragende Mitglieder für diese Aufgabe begeistern können.

    Ihre Zeit als GDNÄ-Präsident endet mit diesem Jahr. Wie geht es dann weiter mit der Jungen GDNÄ?
    Sie wird ein Kernelement der GDNÄ bleiben. Genauso sieht es auch meine Nachfolgerin, die Maschinenbau-Professorin und Chefin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Anke Kaysser-Pyzalla. Wir haben unsere Zukunftspläne für die GDNÄ in den letzten beiden Jahren schon zusammengedacht und werden sie bei einer Strategiesitzung im November weiter ausarbeiten. Die Junge GDNÄ wird dabei eine wichtige Rolle spielen. An der Umsetzung  unserer Ideen beteilige ich mich gern – auch als Erster Vizepräsident der GDNÄ, der ich 2025 und 2026 sein werde.

    Zum Abschluss noch eine kurze Frage: Für wen lohnt sich der Weg nach Potsdam?
    Für alle, die einen Blick in die Zukunft werfen möchten, die mit beeindruckenden Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und Nachwuchstalenten ins Gespräch kommen wollen und aktuelle Themen interdisziplinär begreifen wollen. Last, but not least: Potsdam ist ein toller Tagungsort mit einer noch jungen Universität,  die sich hervorragend entwickelt hat und uns eine wunderbare Gastgeberin ist.

    Heribert Hofer © MIKA-fotografie | Berlin

    © MIKA-fotografie | Berlin

    Prof. Dr. Heribert Hofer, Präsident der GDNÄ (2023-2024) und Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.

    Alle sind willkommen

    Am Freitagabend, 13. September, stellt der Physik-Nobelpreisträger Ben L. Feringa seine Forschung zu winzigen molekularen Maschinen vor. (Dies ist der einzige Vortrag der Tagung in englischer Sprache.) Am Samstagabend, 14. September, hält Liane G. Benning vom Deutschen Geoforschungszentrum den renommierten Leopoldina-Vortrag über ihre Forschung im arktischen Eis. Zu beiden Veranstaltungen ist die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.

    Hier geht’s zum kompletten Programm der Versammlung in Potsdam (PDF)

     

    Zur Person

    Professor Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, wurde von der Mitgliederversammlung für die beiden Jahre 2023 und 2024 in das Präsidentenamt gewählt und ist somit zuständig für die wissenschaftliche Gestaltung der 133. Versammlung im Jahr 2024 in Potsdam.

    Der renommierte Zoologe (64) leitet das Leibniz-IZW in Berlin-Friedrichsfelde seit dem Jahr 2000 und ist seither auch Professor für Interdisziplinäre Wildtierforschung an der Freien Universität Berlin. Vor seiner Berliner Zeit forschte er von 1986 bis 1999 am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayerischen Seewiesen, zunächst als Postdoktorand, später als selbstständiger Wissenschaftler. 1997 habilitierte er sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über das Verhalten von Tüpfelhyänen in der Serengeti-Savanne. Sein Studium der Zoologie begann Heribert Hofer an der Universität des Saarlandes und schloss es an der Universität Oxford mit der Promotion zum „DPhil“ ab.

    Der GDNÄ ist der international bekannte Wissenschaftler seit vielen Jahren eng verbunden. Er engagierte sich auf vielfältige Weise: als gewählter Fachvertreter und Gruppenvorsitzender für das Fach Biologie, mit Redebeiträgen auf Versammlungen, als Vizepräsident bei der Vorbereitung der 200-Jahr-Feier in Leipzig – und seit Anfang 2023 als Präsident der GDNÄ.

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