Tag 3: Samstag, 10. September 2022

Von extrasolaren Planeten, Koryphäen in spe und Bilder aus Hollywood

Der dritte Versammlungstag ist den Bildern aus Physik, Technik und Informatik gewidmet und führt am Vormittag zum Beispiel geradewegs in galaktische Weiten. Als kundige Reiseleiterin überzeugt Professorin Heike Rauer, Direktorin des Instituts für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Sie hat nicht nur ein faszinierendes Vortragsthema – die Vielfalt extrasolarer Planeten –, sie kann es auch verständlich und inspirierend vermitteln.

Die Reise führt über das bekannte Sonnensystem mit seinen acht Planeten hinaus in extrasolare Dimensionen, deren Erkundung mit den in den 1970-er Jahren gestarteten amerikanischen Voyager-Sonden begann. 1995 konnte mit „51 Pegasus b“ der erste extrasolare Planet dingfest gemacht werden, und zwar am französischen Observatorium Haute Provence. Die Entdeckung machte weltweit Schlagzeilen und brachte den beiden Forschern, Michel Mayor und Didier Queloz, im Jahr 2019 den Physiknobelpreis ein.

Inzwischen seien mehr als fünftausend Planeten um Sterne jenseits unseres Sonnensystems bekannt, sagt Heike Rauer. „Wir sind die erste Generation von Menschen, die Planeten um einen anderen Stern sehen können – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, das ist einfach fantastisch.“ Damit einher gehe allerdings auch die Einsicht, dass unser Sonnensystem vielleicht gar nicht so einzigartig ist, wie man lange glaubte. Rauer: „Was sich natürlich auch aufdrängt, ist die alte Menschheitsfrage: Gibt es da draußen Leben? Sind wir nicht allein auf dieser Welt?“

Doch wie schafft man es, Bilder von Planeten zu machen? Schließlich sind ihre Sterne millionenfach heller als die Trabanten. Um dennoch etwas zu sehen, decke man das Licht mit Blenden ab, berichtet Heike Rauer – ähnlich wie ein Mensch, der sich im grellen Licht die Hand vor die Augen hält. Mit der Methode der „Koronografie“ können wir tatsächlich ein Bild von Planeten außerhalb des Sonnensystems bekommen, auch wenn diese aufgrund der großen Entfernung nur als Punkte sichtbar sind. Leider sei dies aber bisher für nur sehr wenige Planeten möglich. Die zurzeit erfolgreichste Methode sei die sogenannte fotometrische Transitmethode: Mit ihr lassen sich Planeten entdecken, sobald der umlaufende Planet von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht und ihn dabei entsprechend seiner Größe verdunkelt.

Als Beobachtungsplattformen dienen Satelliten. Den ersten künstlichen Trabanten brachte die französisch-europäische Mission CoRoT ins All; es folgten die NASA-Missionen Kepler/K2 und TESS sowie die ESA-Missionen CHEOPS und in Zukunft PLATO.  „Die Kepler- und TESS-Missionen haben auch Citizen-Science-Projekte“, sagt Heike Rauer. Frische Daten würden sofort ins Netz gestellt, um allen Interessierten, auch Amateuren, die Planetensuche zu ermöglichen. Ihre Mitarbeiterin habe in diesen Daten „GJ367b“ entdeckt – „ein extrem schneller, sehr sternnaher und für Menschen leider unbewohnbarer Planet, der hauptsächlich aus Eisen zu bestehen scheint.“

Das große Ziel ihrer Zunft sei es, habitable Gesteinsplaneten zu finden. „Kleine Planeten entdecken wir immer wieder, aber bisher leider keine zweite Erde – auch wenn das in den Medien oft suggeriert wird.“ Um in der planetaren Vielfalt eines Tages vielleicht doch noch fündig zu werden, sei jetzt die Zeit für eine große Bestandsaufnahme gekommen. Diesem Ziel dient das ESA-Weltraumteleskop PLATO, dessen Instrumentenkonsortium Heike Rauer leitet. PLATO soll von Ende 2026 an die Milchstraße nach erdähnlichen Planeten absuchen, und zwar mit 26 Kameras, die kleinste Schwankungen der Sternhelligkeit hochgenau messen können. Rauer: „Das ist die die bisher größte Fläche an lichtempfindlichen Sensoren, die jemals gebaut wurde.“ Nachfolgende Missionen sollen, so der Plan, die Atmosphären der gefundenen erdähnlichen Planeten untersuchen, um mehr über ihre Bewohnbarkeit herauszufinden.

„Was wir heute wissen, ist: Das Sonnensystem ist nicht die Norm, vielmehr haben wir da draußen eine große Vielfalt“, sagt die Astrophysikerin. In ihrer Disziplin sei es gerade ein bisschen wie in der Botanik, als die ersten Forscher in die Natur gingen, um Pflanzen zu sammeln und zu ordnen. Heike Rauer: „Wir sind wie Kinder, die staunen und Fragen über Fragen haben.“

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© ESA – C. Carreau

Die Welt extrasolarer Planeten als künstlerische Impression.

Versammlungshashtag: #gdnae200

Weitere Informationen:

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Heike Rauer bei ihrer Vorlesung über die Vielfalt extrasolarer Planeten.

Fünf Fragen an Liv und Finn Hille

Mit seinen 20 Jahren ist Finn Hille bereits Alt-Kollegiat. Der Medizinstudent im fünften Semester war das erste Mal 2018 beim Schülerprogramm in Saarbrücken dabei und macht, weil es ihm damals so ausnehmend gut gefallen hat, in Leipzig zum zweiten Mal mit. Mit ihm sind gut zwanzig weitere Ehemalige angereist. „Viele haben einen weiten Weg auf sich genommen, um jetzt wieder dabei zu sein – das spricht für eine große Begeisterung“, sagt der Bonner Student.  Seine Schwester Liv Hille, 16 Jahre, steht neben ihm. Sie ist Schülerin am Bonner Clara-Schumann-Gymnasium und hat sich, nachdem ihr Bruder zu Hause so angeregt über seine Saarbrücker Erfahrung berichtet hatte, direkt bei der GDNÄ-Geschäftsstelle um einen Platz im diesjährigen Schülerprogramm beworben. Liv hat schon recht klare Vorstellungen von ihrer Zukunft: „Ich will Humanmedizin studieren, vielleicht auch Chemie“, sagt die junge Frau. „Auf jeden Fall möchte ich Wissenschaftlerin werden.“

Wie gefällt es Ihnen hier auf der Tagung?

Liv: Ich bin sehr beeindruckt und habe großen Respekt vor allen, die hier vortragen. Das ist ja ein Gefühl, das man schnell als junger Mensch bekommen kann, aber hier muss ich nicht schüchtern sein und kann mit berühmten Wissenschaftlern ins Gespräch kommen. Mir macht das Mut, selbst eine Koryphäe in einem Fach zu werden. Die meisten Mitkollegiaten haben schon ihre fachlichen Schwerpunkte, aber alle sind sehr offen und wir haben viele gute Diskussionen.

Finn: Ich bin völlig von den Socken, was die Interdiszplinarität auf dieser Versammlung angeht. In der Medizin kommen ja viele grundlegende Erkenntnisse aus den Grenzbereichen und hier erhalte ich so viele Impulse aus anderen Gebieten, über die ich noch lange nachdenken kann. Was mir hier auch besonders gut gefällt, ist die große Diskursfreude – unter den Vortragenden, den Besuchern und im Schülerprogramm. Die GDNÄ ist ein Modell für die Zukunft, ein Ideal: So sollte Wissenschaft sein.

Die Vorträge sollen, so das Ziel, anspruchsvoll und verständlich sein. Gelingt das und was machen Sie, wenn Sie etwas mal nicht direkt verstehen? 

Liv: Bei manchen Vorträgen wird ein großes Grundwissen vorausgesetzt, das ich so noch nicht haben kann. Wenn Schwierigkeiten auftauchen, dann versuche ich den Vortrag anhand der Beispiele, die vorgestellt werden, wenigstens im Ansatz zu verstehen. Sollte das nicht gelingen, konzentriere ich mich auf das, was ich verstehe, und kann mir darüber oft vieles andere erschließen. Ich finde, es ist normal, nicht alles sofort zu verstehen. Ich knie mich dann rein und lerne dazu.

Finn: Natürlich stoße ich bei einigen Vorträgen auf Verständnisgrenzen. Dann mache ich es so wie ich es der Uni auch mache: Ich trete einen Schritt zurück und arbeite mich am roten Faden des Vortrags zurück bis zu einem Punkt, an dem ich wieder anknüpfen kann. Das ist meistens möglich, weil die GDNÄ-Vorträge hervorragend strukturiert sind. Sollte mir die erste Strategie nicht weiterhelfen, versuche ich, mich auf Aspekte zu konzentrieren, die ich einordnen kann und suche dann Bezüge zu meinem eigenen Fach.

Auf dieser Tagung wird Deutsch gesprochen. Wie finden Sie das?

Liv: Für meine Generation macht das den Zugang leichter. Wir sprechen alle ganz gut Englisch, aber auf Deutsch kommt man schneller und besser ins Gespräch.

Finn: Ich finde das angemessen für eine große Wissenschaftsnation, auch Tagungen in der Muttersprache abzuhalten und pflege diese Tradition gern mit. Bei Fachtagungen ist das etwas anderes. Da ist es wichtig, dass Experten aus vielen Länder sich in einer Sprache austauschen und das ist praktischerweise Englisch.

Auf der GDNÄ-Versammlung sind viele Generationen vertreten. Wie ist das für Sie?

Liv: Es ist beeindruckend, dass viele ältere Menschen von weither anreisen. Ich finde den Dialog zwischen den Generationen hier sehr gelungen und diskutiere gern mi erfahrenen Wissenschaftlern. Ich hatte zum Beispiel eine interessante Unterhaltung über Wissenschaftskommunikation mit einer Geologin im Vortragssaal.

Finn: Nicht nur die hier Vortragenden haben eine spannende Lebensgeschichte. In der Frühstückspause setzte sich beispielsweise ein älteres Pärchen zu uns. Die beiden kommen aus der Nähe von Stuttgart, er ist Chemiker – wir haben uns über den Vortrag über Biodiversität unterhalten, aus dem wir alle gerade kamen.

Wie bleibt die GDNÄ auch in Zukunft attraktiv?

Finn: Ich würde mir wünschen, dass die GDNÄ sich mehr einmischt in öffentliche Debatten. Sie hat da auch eine große Verantwortung. Ich denke da zum Beispiel an Initiativen zur Prävention von Infektionskrankheiten, die ein globales Risiko darstellen.

Liv:  Die GDNÄ hat so viel zu sagen. Ganz bestimmt wären auch an den Universitäten viele junge Menschen begeistert, hier mitzumachen. Aber noch fehlt es vielleicht an der direkten Einladung.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Liv Hille, 16 Jahre

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Finn Hille, 20 Jahre

Aladin © The Walt Disney Company

© The Walt Disney Company

Szene aus dem Disney-Film „Aladdin“ (2019).

Bilder aus Hollywood

Zum Abschluss des dritten Versammlungstages lädt Professor Markus Gross von der ETH Zürich das Publikum ein, ihm hinter die Kulissen des Filmbetriebs zu folgen. Für seinen Vortrag „Informatik für die Bilder aus Hollywood“ erntet er enthusiastischen Applaus. (Bericht folgt)

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© GDNÄ

Markus Gross bei seinem Vortrag in Leipzig.