„Wir öffnen Fenster in die Natur“

Wie Jörg Junhold den Leipziger Zoo von Grund auf modernisierte und der GDNÄ in seiner Heimatstadt viele Türen öffnete. Sein Engagement macht die 200-Jahr-Feier zu einem glanzvollen Fest. 

Herr Professor Junhold, die Jubiläumsversammlung der GDNÄ naht. Was bedeutet das Naturforschertreffen für Ihren Zoo? 
Es ist eine große Ehre für uns und wir sind sehr froh, dass die GDNÄ zur 200-Jahr-Feier an ihren Gründungsort zurückkehrt. Die Versammlung findet ja in direkter Nachbarschaft statt, in der Kongresshalle am Zoo Leipzig. Da hoffen wir natürlich, dass viele Tagungsbesucher die Gelegenheit nutzen und bei uns reinschauen – alle sind herzlich eingeladen. Wir sind auch Teil des offiziellen Programms: Der traditionelle Abendempfang für die Referenten und Sponsoren der Tagung findet in unserer Tropenerlebniswelt Gondwanaland statt, in Anwesenheit des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung.

Museumsinsel Ansicht Herbst © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Die Kongresshalle, in der die GDNÄ ihr 200-jähriges Bestehen feiert, liegt direkt neben dem Zoo Leipzig. Das große helle Dach überwölbt die Tropenerlebniswelt Gondwanaland.

Sie sind nicht nur Gastgeber während der Tagung, Sie sind auch im Vorstand der GDNÄ vertreten. Wie können wir uns Ihre Arbeit dort vorstellen? 
Zwei Jahre haben wir im Vorstand auf die Versammlung hingearbeitet, mit regelmäßigen Treffen, die pandemiebedingt meistens digital stattfanden. Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden und es hat großen Spaß gemacht, mit so vielen klugen Köpfen zusammenzuarbeiten. Als Geschäftsführer Wirtschaft war es meine Aufgabe in der Vorbereitungsphase, der GDNÄ hier in Leipzig Türen zu öffnen und Sponsoren für die Tagung zu gewinnen.

Das ist Ihnen, wenn man sich das Programm anschaut, auch gut gelungen. Was ist Ihr Geheimnis? 
Da gibt es kein großes Geheimnis. Ich bin ein begeisterter Leipziger, lebe seit 1985 in der Stadt und engagiere mich hier in vielen Gremien. Zum Beispiel im Stadtmarketing, Im Hochschulrat oder seit rund zwanzig Jahren auch im Vorstand der Kulturstiftung. Hinzu kommt: Die Leipziger lieben ihren Zoo, er wird wirklich getragen von der Bevölkerung und das strahlt dann auch auf unsere Anliegen und Projekte aus. 

Am 1. November 1997 haben Sie als Direktor des Leipziger Zoos angefangen. Das ist jetzt fast ein Vierteljahrhundert her. Wie haben Sie den Zoo damals vorgefunden? 
Er war in einer sehr schwierigen Situation. Die Tieranlagen waren völlig veraltet, die Besucherzahlen stark rückläufig und die Finanzen ein Desaster. Dem Zoo drohte die schrittweise Schließung. 

Keine rosige Ausgangslage für einen neuen Direktor. Warum haben Sie die Aufgabe trotzdem übernommen? 
Weil ich eine Riesenchance für den Zoo gesehen habe. Und es hat mich unglaublich gereizt, den Wandel der Stadt mitgestalten zu können.

Lesesaal des Archivs © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Im Leopardental geht ein Amurleopard auf Pirsch.

Wo steht Ihr Zoo heute? 
Er ist komplett umgestaltet und genießt großes Ansehen, sowohl bei den Besuchern als auch in der Fachwelt – das kann ich ohne Übertreibung sagen. Unser Zoo ist heute ein beliebter Freizeitort und wird gern für Events gebucht, von der Hochzeit über elegante Empfänge bis hin zu Firmenveranstaltungen. All das erhöht die Attraktivität Leipzigs als touristisches Ziel, als Messestadt und wirtschaftliches Zentrum weit über die Grenzen Mitteldeutschlands hinaus.   

Wie ist das gelungen? 
Eine zentrale Rolle spielt unser Masterplan „Zoo der Zukunft“. Als ich meinen Posten 1997 antrat, habe ich von der Stadt Leipzig etwas Zeit erbeten, um ein Erneuerungskonzept zu entwickeln. Das haben wir dann mit einem kleinen Team in gut zwei Jahren erarbeitet und am 14. Juni 2000 vorgestellt. Diesen Tag werde ich nie vergessen: Unsere Vision von einem modernen Zoo, der Tierbedürfnissen auf höchstem Niveau gerecht wird, Besuchern ein Fenster in die Natur öffnet und gleichzeitig als exzellenter Gastgeber überzeugt, wurde vom Stadtrat einstimmig angenommen. Für uns war das ein enormer Ansporn und seitdem setzen wir den Masterplan Schritt für Schritt um.

Lesesaal des Archivs © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

In der 2011 eröffneten Tropenerlebniswelt Gondwanaland leben rund zweihundert Tierarten aus Asien, Afrika und Südamerika.

Was haben Sie erreicht, was bleibt zu tun?
Das meiste ist zum Glück geschafft. Ein Meilenstein war 2011 die Eröffnung der Tropenerlebniswelt Gondwanaland. Das ist eine riesige Halle mit vielen Tausend tropischen Pflanzen, fast zweihundert exotischen Tierarten und einem urwüchsigen Regenwald, wie er den Urkontinent Gondwana prägte. Gondwanaland ist unser Vorzeigeprojekt und hat uns internationale Anerkennung gebracht. Ein anderes Beispiel ist die weltweit einzigartige Menschenaffenanlage Pongoland, die wir in Kooperation mit dem ebenfalls in Leipzig beheimateten Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie geschaffe haben. Dieses Jahr konnten wir das neugestaltete Aquarium eröffnen und 2023 werden wir ein komplett modernisiertes Terrarium vorstellen. Intensiv gearbeitet wird auch am Feuerland-Projekt mit einem begehbaren Unterwassertunnel, in dem die Besucher Pinguine und Robben wie bei einem Tauchgang erleben können. Den Abschluss wird die Asiatische Inselwelt mit zahlreichen Volieren und einer Kranich-Anlage bilden.

Erlauben Sie uns einen Blick hinter die Kulissen: Wie entstehen solche Projekte?
Danke für die Frage, denn diesen kreativen Prozess liebe ich am meisten. Wir haben ein kleines Entwicklungsteam, bestehend aus Tierärzten, Biologen und Architekten. Steht ein neues Vorhaben an, schauen wir uns weltweit um, lassen uns von Lösungen anderer Zoos inspirieren und entwickeln eigene Vorstellungen. Geld spielt anfangs keine Rolle, die Ideen sollen erst einmal sprudeln – zurechtstutzen kann man die Pläne dann immer noch.

In der Öffentlichkeit wird heute viel über Biodiversität und Artenschutz diskutiert. Welche Rolle spielen diese Themen für Ihren Zoo?
Eine sehr große – nicht nur für uns, sondern für moderne Zoos in aller Welt. Die Lebensräume für wild lebende Tiere schrumpfen überall und entsprechend wächst die gesellschaftliche Bedeutung von Zoos als Zentren des Natur- und Artenschutzes. Unsere Populationen sind selbsterhaltend, was bedeutet: Wir entnehmen keine Tiere aus der freien Wildbahn mehr, sondern managen unsere Tierbestände durch sogenannte Erhaltungszuchtprogramme, an denen sich Zoos weltweit beteiligen. Für viele bedrohte Arten beherbergen wir Reservepopulationen und verfügen über die nötige Expertise zur Behandlung kranker Tiere, sei es im Zoo oder in der Wildnis. Und, ganz wichtig: Wir sensibilisieren die Menschen für die Biodiversitätskrise und ermutigen sie, etwas dagegen zu tun.

Engagiert sich Ihr Zoo auch wissenschaftlich?
Ja, das ist uns sogar ein großes Anliegen. Wir betreiben langfristige Artenschutzprojekte, die intensiv wissenschaftlich begleitet werden. Zum Beispiel in Vietnam, im Nationalpark Cuc Phuong. Dort bereiten wir Languren, die aus illegalen Haltungen stammen und beschlagnahmt wurden, auf die Auswilderung vor. Diese blätterfressenden Primaten sind endemisch in Vietnam beheimatet und inzwischen selten geworden. In Chile unterhalten wir gemeinsam mit der Universität Concepción eine Zuchtstation für eine bedrohte Froschart. Insgesamt verstehen wir uns als wissenschaftlich arbeitender Tiergarten, der von Biologen und Tierärzten als gemeinnützige Einrichtung geleitet wird und damit den Qualitätskriterien des Weltzooverbands entspricht. Kommerziell orientierte Safariparks erfüllen diese Standards nicht.

Lesesaal des Archivs © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Tauchgang im Elefantentempel Ganesha Mandir.

Sie haben den internationalen Zooverband geleitet, gehören dem Vorstand des Europäischen Zooverbandes an und stehen jetzt dem deutschen Zooverband vor. Was bringt Ihnen diese Arbeit?
Sie erweitert den Horizont, schärft den Blick für das Wesentliche und führt zu vielen guten Kontakten. Inzwischen geht hier bei uns in Leipzig die internationale Zoowelt ein und aus ­– das hat nicht zuletzt mit der Gremienarbeit zu tun.

Wo rangiert der Leipziger Zoo heute im internationalen Vergleich?
Wir gehören zur Spitzengruppe. Im europaweiten Zoo-Ranking des britischen Experten Anthony Sheridan liegen wir aktuell auf Platz zwei hinter Wien und vor Zürich und sind in Deutschland die Nummer eins.

In ein paar Jahren wird der Masterplan vollendet sein. Ist der 150. Geburtstag Ihres Zoos im Jahr 2028 das nächste Großprojekt?
Wir werden den Geburtstag natürlich groß feiern, zusammen mit unseren Besucherinnen und Besuchern. Ideen gibt es schon viele – aber noch wird nichts verraten.

Matthias Röschner © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Professor Jörg Junhold

Zur Person

Professor Jörg Junhold ist seit 1997 Geschäftsführer und Direktor des Zoo Leipzig. Der heute 58-Jährige stammt aus der brandenburgischen Stadt Ortrand und studierte in Leipzig Veterinärmedizin, wo er 1994 promoviert wurde. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete der approbierte Tierarzt bereits bei Europas größtem Hersteller von Tierfuttermitteln, der Effem GmbH – zunächst im Außendienst, später im Marketing. 1997 wurde er zum Leiter des Zoos Leipzig bestellt. Sein im Juni 2000 vorgestelltes Strategiekonzept „Zoo der Zukunft“ ist bis heute wegweisend. Seit 2013 ist Jörg Junhold Honorarprofessor an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Verdienstorden des Freistaats Sachsen. Junhold war Präsident des internationalen Dachverbands größerer Zoos und Aquarien, der World Association of Zoos and Aquaria, und dessen europäischem Pendant. Seit 2019 ist er Präsident des Verbandes der Zoologischen Gärten Deutschlands e.V.

Archivplakat © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Schimpansenjungtiere im Pongoland

Zoo Leipzig in Zahlen 

Gründung: im Jahr 1878 von Ernst Pinkert
Fläche: 27 Hektar, davon 2,1 Hektar Wasserfläche
Mitarbeiter: rund 260
Tierarten: etwa 630
Investitionen: 200 Millionen Euro (2000-2021)
Besucherzahlen: rund zwei Millionen im Jahr
(Stand: Anfang 2022)

Weitere Informationen:

Archivplakat © Deutsches Museum

© Zoo Leipzig

Herumtollende Löwenjungtiere.